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Weg mit dem unsinnigen Besteuerungssystem für Zweitverdiener? Bewegung im Parlament

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Die Besteuerung von Zweitverdienern ist seit Jahrzehnten ein großes Ding in Japan und hat einen enormen Einfluss auf fast alle Haushalte mit Ehepartnern. Grob vereinfacht geschieht nämlich folgendes in Japan: Wenn ein zweitverdienender Ehepartner in Japan Teilzeit arbeitet, ist das Nettoeinkommen bei einem Bruttoverdienst von 1,03 Millionen Yen pro Jahr in etwa genauso hoch wie bei einem Bruttoverdienst von 1,38 Millionen Yen. Klingt absurd? Ist es auch, und dies hat damit zu tun, bei welchem Verdienst welche Steuern und anderen Abschläge fällig werden. Etwas vereinfacht sieht das in Japan zur Zeit so aus:

Da System betrifft in erster Linie Familien mit Kindern: Die japanischen Bildungseinrichtungen erfordern sehr viel Arbeit von den Eltern, und im Regelfall leisten die Mütter die Arbeit: Das beginnt mit dem Zubereiten der Bento (“Stullenbüchse”, nur in kulinarisch hochwertig und abwechslungsvoll) am frühen Morgen, geht weiter mit dem Bügeln diverser Dinge von der Schule (zum Beispiel wenn die Kinder dran sind mit der Essensverteilung), PTA (Eltern-Lehrer-Verband), diversen außerschulischen Aktivitäten und dergleichen. Spätestens mit dem Eintritt der Kinder in die Grundschule wird es da schwer, ganztags zu Arbeiten – erst recht, wenn man zwei Kinder oder mehr im Schulalter zu Hause hat.

Dementsprechend möchten viele Hausmütter beziehungsweise in Ausnahmefällen auch Hausväter ein bisschen nebenher verdienen, doch die stufenweisen Progressionen in der Besteuerung stellen eine 年収nenshūnokabe (Jahreseinkommens-Mauer) dar, und die war unter anderem auch Wahlkampfthema einiger Parteien. Logisch: Wer möchte schon viele Stunden pro Monaten extra arbeiten, nur um dann das gleiche Geld zu bekommen wie vorher. Die Mauer führt damit zum Phänomen der 働き控え, dem “Verzicht auf Arbeit”. Arbeitgeber haben so Probleme, die Schichten zu füllen, da die Angestellten ablehnen, mehr zu arbeiten – aus Sorge, die Einkommensgrenze zu übersteigen. Und nicht nur das: Angesichts der noch immer steigenden Preise in Japan ist Lohnausgleich ein weiteres, großes Stichwort, was zu einem Dilemma führt: Erhöhen die Arbeitgeber den Stundenlohn, führt das nicht zu höheren Einkommen bei den Angestellten, sondern lediglich zu weniger zu leistenden Stunden auf der Arbeit – für beide Seiten ist das nicht hilfreich.

Um das Problem zu lösen, liegen nun erste Vorschläge auf den Tisch. Am wahrscheinlichsten ist eine Regelung der Einkommenssteuer: Zum einen soll die Grenze der einkommenssteuerpflichtigen Einkommen angehoben werden, zusätzlich soll auch die Höhe der Einkommenssteuer für Geringverdiener abgesenkt werden.

Da die Opposition dank der überraschend guten Ergebnisse bei den letzten Unterhauswahlen nun deutlich mehr Druck ausüben kann, ist Bewegung in die Sache gekommen und eine Einigung in naher Zukunft gut möglich. Es wird auch höchste Zeit, denn japanischen Haushalten geht zunehmend das Geld aus (der Anteil des Gehalts, der allein für Lebensmittel aufgewendet werden muss, war noch nie so hoch wie in diesem Jahr) – und den Firmen das Personal.

Die Rede ist hier übrigens nicht von hohen Beträgen – beim jetzige Wechselkurs sind 1.03 Millionen Yen gerade mal gut 6000 Euro und damit gut 500 Euro pro Monat.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

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