BlogKäsespätzle auf Japanisch oder nie wieder Weihnachtsmarkt in Yokohama

Käsespätzle auf Japanisch oder nie wieder Weihnachtsmarkt in Yokohama

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Letztes Jahr kamen wir drum herum — dieses Jahr aber nicht, denn ich hatte den Kindern versprochen, in diesem Jahr mit ihnen zum Weihnachtsmarkt zu fahren. Gegen Weihnachtsmärkte habe ich im Prinzip nichts – doch in Japan ist das eine andere Sache. Das letzte Mal waren wir vor ein paar Jahren, sprich vor Corona, beim Weihnachtsmarkt an den alten Ziegelsteinhallen im Hafen von Yokohama. Es war voll, aber ein bisschen Weihnachtsgefühl kam durchaus auf, und das Essen war halbwegs in Ordnung. Doch seitdem hat sich viel verändert.

Dieses Mal kostet der Spaß schon mal Eintritt — gute 3 Euro. Und bis man die zahlen darf, steht man erstmal in einer mehrere hundert Meter langen Schlange an. Ist man endlich drin, wähnt man sich in einer großen Demo — es ist alles voller Menschen und hoffnungslos überfüllt. Ein kitschiger Weihnachtsbaum erinnert daran, dass dies ein Weihnachtsmarkt sein soll. Buden mit illustren und authentischen Namen wie “Lecker aus” verkaufen Essen – natürlich sind die Schlangen davor riesig. Angeblich kann man mit der “Akarenga Sōko Event”-App Essen bestellen und bezahlen – und wird angepingt, wenn es fertig wird. Keine schlechte Idee, aber es funktioniert nicht, da es kein Wifi gibt und das Handynetz aufgrund der Menschenmassen komplett überlastet ist.

Da wir nun aber schon mal dort waren, stellten wir uns an einer der Buden an. Es gibt Glühwein, deutsches Bier (alles irrelevant für mich, da mit dem Auto angefahren) und ein paar deutsche Gerichte wie Risotto, Pommes, eine Handvoll Miniwürstchen … und Käsespätzle! Nanu! und zwar mit 濃厚Nōkōチーズcheese, also mit vollmundigem Käse! Ich bin mit dem Abend versöhnt und bestelle welche. Nun ist deutsches Essen in Japan meistens nicht deutsches Essen, aber das geht in Ordnung. Doch was ich dann in die Hand gedrückt bekam, überraschte selbst mich: Bereits erkaltete Muschelnudeln, ohne Salz gekocht, die mit Milch übergossen wurden. Ein paar Scheiben Dosenchampignons schwammen einsam mit den Nudeln herum. Darauf wurde dann ein Esslöffel geschredderter Käse verteilt – und noch nicht einmal richtiger Käse, sondern Analogkäse, also die gesunde weil cholesterolarme Variante aus Pflanzenfetten. Das ganze liess man dann auch erstmal vor dem Servieren schön kalt werden. Die Kosten der Zutaten liegen bei maximal 200 Yen, und da ist der Gaspreis und die Personalkosten schon mit eingerechnet. Verkaufspreis? Über 1000 Yen, also mehr als 7 Euro.

Käsespätzle auf Japanisch - ein Trauerspiel
Käsespätzle auf Japanisch – ein Trauerspiel

Auch die Kinder assen etwas – es war alles Müll, in homöopathischen Mengen serviert, aber zu Preisen, die man in guten deutschen Restaurants in Tokyo bezahlt. Das Ende vom Lied: Nach einer Stunde anstehen und einer Stunde auf dem sogenannten Weihnachtsmarkt verliessen wir selbigen – hungrig, aber um ein paar Tausend Yen ärmer. So viel steht fest – so schnell bringt mich da nichts mehr hin. Ist ja fast billiger und schneller, zu einem echten Weihnachtsmarkt in Deutschland zu fliegen…

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

11 Kommentare

  1. Jetzt kann ich die Begeisterung unserer japanischen Austauschstudentin aus Kochi-shi für die Weihnachtsmärkte in Rothenburg ob der Tauber, Frankfurt, Marburg und Heidelberg nochmal sehr viel besser verstehen —- ich habe mich bei der Beschreibung des japanischen Weihnachtsmarkts echt gekringelt :-)

  2. Ich empfehle den Weihnachtsmarkt in Sapporo. Er ist zwar bei weitem nicht mehr so gross wie in Vor-Corona-Zeiten und reicht – was die Zahl der Staende angeht – auch nicht an das 夏まつり, das sich jeden Sommer mit 13.000 Sitzplaetzen an den Staenden ueber rund einen Kilometer auf der zentral gelegenen 大通り erstreckt. Aber immerhin wird tatsaechlich auch einigermassen passables deutsches Essen angeboten (unter den Standinhabern auch ein Deutscher und ein Spanier, beide aus Sapporo), und ein Mandelbrater reist schon seit rund 30 Jahren jedes Jahr aus Hamburg an. Was Du allerdings aus Yokohama beschreibst, liest sich wie eine Horrorstory…. :-o Na, zumindest sind die Weihnachtsmaerkte in Japan nicht von Merkel-Legos umgeben und muessen auch nicht von Polizisten mit Maschinenpistolen geschuetzt werden, und in Sapporo haben wir sogar ab kurz vor Weihnachten Schnee… ;-)

    • Da bin ich etwas neidisch. Die Qualität der Weihnachtsmärkte war hier bis vor 10 Jahren auch ganz okay, wenn auch in der Regel ohne Schnee und wenig wintertauglichem Wetter. Doch was da einem heute geboten wird ist einfach nur feist. Ich hoffe, dass der Trend nicht nach Sapporo schwappt…

      • Mittlerweile ist auch der Weihnachtsmarkt in Sapporo im Niveau gesunken… Die bekannten japanischen Staende hatten wir natuerlich ausgelassen, denn auf japanische Fabrikwuerstchen hatten wir gerade keinen Appetit – dafuer erregte ein Stand aus Bayern unsere Aufmerksamkeit…
        Die Wuerstchen (nach Ansicht des redseligen japanischen Standinhabers fast so gut wie Thueringer) waren groessenmaessig kaum von den bereitliegenden Staebchen zu unterscheiden und absolut geschmacksneutral… Die Weisswuerste sahen aus wie ein dicker Daumen und waren ebenso geschmacksneutral… Mit “geschmacksneutral” meine ich, dass man merkt, dass man auf etwas kaut, aber man nicht definieren kann, worum es sich handelt…
        Lediglich der Hamburger Mandelbrater, der uns schon seit 30 Jahren erfreut, hat die Stimmung retten koennen…

  3. Das klingt ja nicht sehr lecker. Ich weiß nicht wie die Regeln hier auf dem Blog sind, aber ich schaue gerne die Videos von Paolo (from Tokyo) an und er stellt dort sehr interessante Restaurants in Japan vor. Vor allem viele die noch sehr traditionell sind – probierst du solche auch aus?

      • Ja den Ramen Guide hab ich mir schon abgespeichert, vielen Dank. Ich bin den Oktober 2024 in Japan (darunter 6 Tage in Tokyo) und werde sicherlich auf das ein oder andere Restaurant zurückgreifen. Ich finde traditionelle & lokale Restaurants immer am besten, weil man so wirklich etwas neues probiert.

        • Ja, traditionelle / lokale Restaurants sind immer gut (und Street Food, gibt es aber in Tokyo kaum, eigentlich nur in Fukuoka). Wenn man Jahrzehnte im Ausland lebt, freut man sich auch mal auf etwas heimatliches, aber das geht meistens nicht gut :)

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