BlogFilmkritik: Jigoku no Hanazono ~Office Royale~

Filmkritik: Jigoku no Hanazono ~Office Royale~

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Irgendwie sind meine automatisierten Netflix-Einstellungen merkwürdig: Die Benutzeroberfläche ist auf Deutsch, aber wohl aufgrund meiner IP werden mir nur die japanischen Charts angezeigt. Und dort befindet sich seit einiger Zeit ein Film mit dem Namen 地獄Jigokuno花園hanazono — der „Blumengarten der Hölle“. Die Beschreibung „Komödie“ und „Absurd“ triggerten micht sofort, also schaute ich mir den Streifen mal an.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Es geht um OL (Abkürzung für „Office Lady“, und diese Abkürzung wird noch immer ganz ohne Diskussion in Japan benutzt), die vom japanischen Patriarchat gern auch als „Hana“ (Blume, daher der Titel) bezeichnet werden, und deren wahre Identität. Während nämlich die OLs in der Firma auf den ersten Blick ganz normal ihrer Arbeit nachgehen — Kaffee kochen, kopieren, Daten eingeben, katzbuckeln, in den Pausen über Serien und Diäten und Essen schwatzen) — haben sie es in Wahrheit faustdick hinter den Ohren. Denn in den Firmen haben sich Fraktionen der einzelnen Abteilungen gebildet, und die kämpfen gegeneinander. Und nicht nur dass — sie kämpfen auch gegen die OLs anderer Firmen.

Der Titelzusatz „~Office Royale~“ läßt ahnen, woher der Wind weht: Hier werden nicht Argumente eingesetzt, sondern pure Gewalt (der Titel spielt auf Battle Royale an). Quasi mit eingewebt in die Handlung werden aus Mangas entlehnte Stereotypen von Handlungssträngen – die Hauptdarstellerinnen vergleichen ihre Situation mit typischen Mangageschichten und sind dann ganz baff, wenn sich die Rolle plötzlich ändert.

Skurril ist der Film in der Tat ein bisschen – die Idee, dass hinter den kreuzbraven OLs mit ihren üblichen Kostümchen knallharte Ischen mit äußerst rauhem Umgangston (der sich natürlich sofort in ein Säuseln wandelt, wenn ein männlicher Angestellter in der Gegend ist) stecken, ist schon amüsant. Aber nach einer guten Stunde voller Getrete und Gekeife und Geboxe ist auch langsam mal gut… manchmal frage ich mich sowieso, was Japaner an dieser ständigen Gewalt in den Filmen und Mangas so herrlich finden. Ist es der manchmal durchaus nervende Konsenszwang, aus dem man zumindest beim Konsumieren von Büchern und Filmen ausbrechen möchte? An allen Ecken und Enden stehen Schilder, die darauf aufrufen, keine Gewalt (und keine gewalttätigen Gruppen – sprich Yakuza) zuzulassen, und in der Tat wird man in Japan nur sehr, sehr selten Zeuge von Gewalt. Doch in sehr vielen Filmen und Mangas geht es einfach hoch her, vom Anfang bis zum Ende.

Der Film wurde unter anderem von Hidetomo Masuno, besser bekannt als „Bakarhythm“ (baka = „dumm“), geschrieben. Spätestens seit seiner Fernsehwerbung für einen Geldverleiher (“Promise – for your future“, und das ganz übel auf Englisch betont) schalte ich lieber ab, wenn ich ihn sehe. Im Film taucht er mehrfach auf — und auch sonst gibt es viele bekannte Gesichter. Man muss aber schon großer Fan dieses Genres sein, um an dem Film Gefallen zu finden. Einzig interessant sind ein paar wenige Seitenhiebe auf die OL- und Unternehmenskultur, aber das ist eigentlich weniger Komödie noch Fantasie sondern einfach nur dass, was man ohnehin jeden Tag sieht und hört.

Der Film wurde bereits 2021 von Warner Bros. produziert und ist nicht auf Netflix beschränkt — er wurde auch auf Amazon Prime Video und anderen Streamingdiensten veröffentlicht.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

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