Fodor’s, ein seit 1949 tätiger, englischsprachiger Reiseführerverlag, veröffentlicht alljährlich zahlreiche Listen – darunter sind zwei, die jeweils besonders viel Aufmerksamkeit erregen:
• Twenty-five places to go in 2025
sowie der Stiefbruder der obigen Liste, die
Zuerst zu letzterer: Hier werden 15 Orte aufgeführt, vor denen Fodor’s aus verschiedenen Gründen, hauptsächlich aber aus Gründen des “Overtourism”, warnt. Und dieses Mal haben es sogar gleich zwei japanische Orte auf die Liste “geschafft”, nämlich Tokyo und Kyoto. Die Liste für 2025 sieht wie folgt aus:
1 | Agrigento | Italien |
---|---|---|
2 | Bali | Indonesien |
3 | Barcelona | Spanien |
4 | British Virgin Islands | Großbritannien |
5 | Kanarische Inseln | Spanien |
6 | Kerala | Indien |
7 | Koh Samui | Thailand |
8 | Kyoto | Japan |
9 | Lissabon | Portugal |
10 | Mallorca | Spanien |
11 | Mount Everest | Nepal |
12 | Oaxaca | Mexico |
13 | Schottland North Coast 500 | Großbritannien |
14 | Tokyo | Japan |
15 | Venedig | Italien |
Als Begründung wird dafür unter anderem das relativ neue Schlagwort 観光公害 – “Schäden durch Tourismus” – angeführt. Zwar führt Fodor’s auch zahlreiche Maßnahmen an, die in Japan bereits beschlossen wurden, um der Touristenflut Herr zu werden, doch man erwähnt dabei auch den begrenzten Erfolg. Damit hat Fodor’s durchaus recht. Zu den Problemen zählt unter anderem, dass viele Touristen aufgrund mangelnder Alternativen und/oder Budgetgründen auf Business-Hotels zurückgreifen, die wiederum aufgrund der stark gestiegenen Nachfrage ordentlich ihre Preise erhöhen – Klagen japanischer Geschäftsleute, dass es kaum noch möglich ist, ein ganz normales Hotel zu zivilen Preisen zu buchen, hört man deshalb in der Tat überall.
Es sind dabei nicht nur die Menschenmassen. In diesem Jahr gab es bereits mehrere Monate, in denen jeweils mehr als 3 Millionen Touristen nach Japan reisten – das Land wird 2024 insgesamt den bisherigen Besucherrekord von etwas über 30 Millionen pro Jahr definitiv knacken. Fodor’s bemerkt an der Stelle, dass der momentan sehr schwache Japanische Yen für eine “Wenn Japan, dann jetzt”-Stimmung sorgt, und damit haben sie sicherlich recht.
Japaner machen sich verständlicherweise Sorgen um das Ganze und verfolgen die Meldungen genau. Zum Sinnbild ungezügelter Touristen wurde dabei vor allem diese Szene, gefilmt von einem anderen Besucher, in Gion, dem berühmten Geisha-Viertel in Kyoto:
Es lohnt sich nicht, darüber all zu viele Worte zu verlieren. Alle, einschließlich der Japaner, wissen, dass dies ein Extremfall ist. Genauso wie das Video von Ausländern, die in einem ganz normalen Zug mal eben ihre Breakdance-Künste zeigen müssen. Die Aktion veranlasste den Zugbetreiber, eine Meldung über Disruptive Behavior by Passengers on the Fujikyu Railway auf seiner Webseite zu veröffentlichen. Oder ein anderer Fall mit einer chilenischen Besucherin, die der Meinung war, an einem Torii (Eingang zum Schrein) Klimmzüge machen zu müssen.
Es geht natürlich nicht nur um bösartige Fehltritte sondern auch um alltägliche Dinge – es ist mir auch schon mehrfach passiert, dass ich in einem Convenience Store anstand, um an die Kasse zu gelangen – nur um dann zu sehen, wie ein hektischer Tourist mal eben schnurstracks zur Kasse rennt, ohne anzustehen. Als ich ein einziges Mal eine spanische Touristin darauf ansprach, bekam ich nur ein patziges “No, no!” zu hören, was auch immer das bedeuten sollte.
Sollte man nun also deshalb Tokyo und Kyoto auf eine No-go-Liste setzen? Nun, im Falle von Kyoto ist das womöglich schon angebracht, denn die Lage an den Hauptsehenswürdigkeiten soll wohl in der Tat katastrophal sein – am Kinkakuji, am Fushimi-Schrein, im Bambuswald von Arashiyama oder am Kiyomizudera ist wohl wirklich an manchen Tagen so gut wie gar kein Durchkommen. Allein die Aussicht auf diese Menschenmassen sorgt auch bei mir dafür, Kyoto vorerst zu meiden. Im Falle von Tokyo bin ich mir nicht so sicher, denn Tokyo ist riesengroß und voller interessanter Orte – wenn man nur ein bisschen besser plant, kann mir hier durchaus ruhige Tage verbringen.
Lustig ist natürlich, dass Fodor’s nun vor Orten warnt, die sie lange selbst gehypt haben. Doch die gleichzeitig veröffentliche “Go-Liste” für 2025 schießt hier den Vogel ab, denn auch hier findet man einen japanischen Ort: Und zwar ausgerechnet Nikko, erreichbar mittels eines Tagesausflugs von der japanischen Hauptstadt. Klar ist der Ort schön, doch es ist – zumindest in Japan – allen bekannt, dass Nikko bereits jetzt hoffnungslos überfüllt ist – ewig lange Staus zwischen dem Endbahnhof von Nikko und dem Chuzenji über die Iroha-Kurven sind schon jetzt eine wahre Geduldsprobe. Der Ort braucht also nicht mehr, sondern weniger Werbung.
Bezüglich Reisende und Business-Hotels. Irgendwelche Empfehlungen wie man an die Hotelsuche in Tokyo rangehen sollte für einen Wenigreisenden? Wenn ich bei Booking so testweise mein normales Vorgehen anwende, filtert es auch sehr schnell auf Business-Hotel-Ketten. Insofern wundert mich das gar nicht, dass Urlauber dort auch oft landen.
Nein, die Touristen trifft hier keine Schuld – das ist nun mal so im freien Markt. Und da die Business-Hotels erstens oft in Bahnhofsnähe liegen und zweitens relativ preiswert und praktisch sind, lassen sich dort natürlich viele nieder. Alternativen sind AirBnb und Pensionen – habe ich die Wahl, übernachte ich meistens in Pensionen. Liegen zwar manchmal ein bisschen außerhalb, aber man lernt gelegentlich interessante Leute kennen.
Haben die Preise für die Business-Hotels jetzt irgendwann erst so angezogen? Letztes Jahr ging es mit den Preisen eigentlich noch, und dieses Jahr kann ich auch nicht meckern. Wir waren in Saitama.
Dieses Jahr gehts wieder nach Saitama zum Übernachten, und nach Kyushu.
Ja, in diesem Jahr ging es ziemlich steil bergauf. Es wird immer schwerer, eine Übernachtung für unter 10’000 yen zu finden – bis vor eins, zwei Jahren war das eigentlich kein Problem.
bin gerade vor einer Woche aus Japan zurückgekommen und muß die Hotelsituation leider bestätigen. Als Einzelreisender, der -bewußt -ohne ohne feste Hotelbuchungen (nur für die ersten und die letzten Tage mein Stammhotel Hanzomon ca. drei Monate im Voraus direkt gebucht) und ohne smart phone reist, machte ich sehr schlechte Erfahrungen. 14.10. Okayama, beim Touristenbüro am Bahnhof bemühten sich teilweise 2 Angestellte gut 20 min telefonisch, ein Zimmer zu finden. Ergebnis: Yen 34,000 (14.10) Yen 24,000 (15.10.) Hatte gedacht, na wenigstens ein Edelschuppen bei den Preisen; war aber ein eher dürftiges business hotel, gelistet mit Yen 7,000.
PS in Kyoto war es mir schon 2014 zu voll………
Kurzfristig Übernachtungen zu finden ist wirklich schwer geworden – bin früher auch oft spontan irgendwo abgestiegen, aber das würde ich jetzt in Japan nicht mehr empfehlen.
Kyoto hängt ganz von der Reisezeit ab… war das letzte Mal so richtig zwischen Weihnachten und Neujahr 2018 dort, und da war es extrem ruhig.
Ich war den Oktober in Japan, darunter natürlich Tokyo und Kyoto und ich fand beide nicht so voll wie erwartet. Tokyo ist immer voll, das kenne ich bereits, da ich alle 2 Jahre nach Japan fliege – Preise waren nach der Umrechnung für Essen natürlich absolut super. Hotels wieder immer, ich konnte das jetzt nicht unbedingt nachvollziehen. Ich hatte aber alles schon extra im März/April für Oktober gebucht gehabt.
Da hattest du vielleicht gerade nochmals Glück gehabt mit den Preisen! Check doch nochmal die Hotels in denen du übernachtet hast. Würde mich nicht wundern wenn die jetzt das Doppelte kosten!
ja, so sieht es wohl aus, ist nichts mehr mit nonbiri Reisen in Japan.
Kleine Korrektur, die Daten waren November.
Meine Güte, lange nicht mehr so fremdgeschämt, wie beim Betrachten der Videos, besonders das mit der Geisha! Bin echt von den Socken, was manche Menschen meinen sich rausnehmen zu können bzw der Grad an Ignoranz oder was auch immer solche Leute antreibt, sich komplett danebenzubenehmen. Mega peinlich.
Mir ging’s ähnlich. Ein halbes Jahr im voraus war im Gegensatz zu sonst in Kyoto kein kleines Apartment (koche auch ganz gerne mal was) zu bekommen- jedenfalls nicht zu einem angemessenen Preis- also unter 90€ die Nacht trotz entwertetem Yen.
Also mußte ich nach Osaka ausweichen… und habe um Kyoto und die Besuchermassen dort einen Bogen gemacht. Und klar, das liegt natürlich an Werbung durch Fremdenverkehrsverbände, Reiseführer und das Internet bzw. die Blogger da (bekenne mich selbst auch schuldig). Nicht zuletzt sehe ich eine Ursache auch in der leichten Erreichbarkeit bzw. der fehlenden Erforderlichkeit, sich auf die Kultur und vor allem Sprache einzustellen. Als ich 2008 das erste Mal in Japan war, wars ohne Japanisch, Denshi Jisjo etc. nicht gut möglich, sich außerhalb eines eng umgrenzten Raums zu bewegen. Heute ist das Japanischlernen dank Sprachsoftware doch fast schon obsolet.
Ehrlich gesagt kann ich Japan als Urlaubsland nicht mehr wie noch vor ein paar Jahren uneingeschränkt empfehlen. Natürlich denke ich wird in den Hauptreiseorten die Geduld und Leidensfähigkeit der Japaner bestimmt oft hart auf die Probe gestellt.