BlogShikoku die Dritte: Viele Wolken, viel Buddhismus

Shikoku die Dritte: Viele Wolken, viel Buddhismus

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An diesem Wochenende sollte es wieder nach Shikoku gehen – das ist die kleinste der vier Hauptinseln Japans. Für mich war es die dritte Reise durch Shikoku – an die ersten beiden Reisen denke ich sehr gerne zurück, denn diese Insel bietet alles, was micn interessiert: Berge, Meer, nette Menschen, viel Kultur – und die Tatsache, dass ein Grossteil der Insel sehr ländlich und ursprünglich ist.
Dieses Mal ging es allerdings nicht zum Vergnügen hin, sondern aus einem ernsteren Anlass: 法事 Hōji stand auf dem Programm – ein “Todesgedenktag”, der den buddhistischen Regeln zur Folge zum Beispiel 33 Jahre nach dem Ableben von den Familienangehörigen gemeinsam begangen wird. Wie es der Zufall so will, war jenes Familienmitglied der Vorsteher eines buddhistischen Tempels, welcher heuer vom Sohn geleitet wird. Jener Tempel steht in der tiefsten Provinz in Shikoku: Der nächstgelegene Flughafen / die nächstgelegene Grossstadt liegt gute 2 Stunden mit dem Auto entfernt, und das auch nur, seit in den vergangenen Jahren neue Tunnel, Schnellstrassen usw. gebaut wurden.

Hinter den 7 Bergen…

 
Am Sonnabend ging es also erst zum Flughafen Haneda (Tokyo), dann mit dem Flieger um 7:20 (!) nach Matsuyama und von dort mit dem Auto gute 2 Stunden entlang der Küste gen Süden. Im “Familientempel” versammelten sich nach und nach die Familienmitglieder – die meisten hatte ich in den vergangenen Jahren schon getroffen, aber neue Gesichter waren auch dabei. Darunter auch insgesamt sechs Kinder.
Um 15 Uhr begann die Zeremonie, und ich kann mit Stolz (!?) sagen, dass meine gerade 3 Jahre alt gewordene Tochter zielstrebig wusste, wie sie die ganze Zeremonie, nun ja, wie soll ich sagen, interessanter als üblich gestaltete: “この人誰?” (kono hito dare? – “Wer ist das denn”? Sagte sie laut-fröhlich, als der Gehilfe des Priesters (genauer gesagt – sein Sohn) hereinkam. Als der Priester ein Opfer zum Schrein brachte, war sie drauf und dran, hinterherzurennen – in Erwartung, es gäbe etwas zu essen und aus Angst, sie würde nichts abbekommen.
Zum Ende trug eine Gruppe von gut 10 Frauen und Männern gemeinsam eine Sutre vor. Als sie fertig waren, kam von ihr der Zwischenruf: “皆逃げてるよ!” – “minna nigeteru yo” – “Schau mal, jetzt rennen alle weg”. Aber es wurde ihr verziehen – die Gruppe, die meisten kannten den Verstorbenen und seine Familie, hatten sich schon vorher darauf gefreut, sie zu sehen.
 

Klein aber fein: Das Schloss von Uwajima

 
Die ganze Tokyo-Gesandschaft hatte beschlossen, dass es doch zu schade wäre, schon nach nur einer Nacht wieder abzureisen – also blieben wir eine weitere Nacht, also bis Montag abend. Damit war Sonntag und Montag noch Zeit, sich die Gegend ein bisschen anzusehen. Das Wetter war recht durchwachsen: Viel Regen, niedrige Wolken, aber wenigstens annehmbare Temperaturen von ca. 12 Grad. Aber das kann auch recht reizvoll sein: Tieffliegende Wolken zwischen hohen Bergen können durchaus eindrucksvoll sein.
An der Westküste der Insel machte man früher aus der Not eine Tugend: Die Rias-Küste von Westshikoku bietet eigentlich kaum Platz zum Leben, geschweige denn zur Landwirtschaft – die Berge gehen bis direkt ans Meer und sie sind fst ausnahmslos sehr steil. Also machten sich die Bewohner damals daran, die Hänge in Terassen umzuwandeln und landwirtschaftlich zu nutzen. Die Felder sind dabei gerade mal so breit wie ein Badehandtuch. Das ist prinzipiell gesehen natürlich clever: Von oben gesehen wird so aus einem steilen Berg eine einzige Ackerfläche. Von der Seite gesehen sieht man hingegen nur eines: Steine. Das Modell (durchaus auch in Europa, wenngleich dort aus anderen Gründen – nämlich um Weinstöcken so viel wie möglich Sonne angedeihen zu lassen – bekannt) ist sehr arbeitsintensiv und heutzutage mit Sicherheit ein Anachronismus, denn für die maschinelle Landwirtschaft ist schlichtweg kein Platz vorhanden.
 

Terassenfeldbau in Yusu

 
Aus diesem Grund verschwinden die sogenannten 段々畑 – dandanbatake – Terassenfelder nach und nach. Man sieht in der Region mehr überwucherte als intakte Terassen. Schade, möchte man da gerne sagen, aber das ist wohl eher der Standpunkt des temporären Besuchers.
Mehr zu Shikoku dann wieder demnächst auf diesen Seiten!
Nachtrag: Mehr Photos hier:

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tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

6 Kommentare

  1. Die Terassen sehen aber von der Höhe sehr praktisch zum Ernten aus. Vielleicht hätte man sie noch ein bisschen kleiner machen sollen, denn wenn man das mit den Ernten in Deutschland (die ja nur von Helfern aus dem Osten gemacht werden) vergleicht, dann muss sich der Mann nicht bücken und erspart seinem Rücken so viel Schmerz ;)

  2. @Stefan
    Ich habe einen Bildband mit Schwarzweissfotos zu den Dorfbewohnern der Terrassenfelder gesehen – die Männer konnten locker bei Bodybuilding-Wettbewerben mitmachen! Das ist eine ganz schöne Plackerei.

    @Ernst
    Mehr Bilder siehe Unterteil des Beitrags! 300 Euro… könnte eng werden. Damit wirst Du nicht mal einen Parkplatz für 3 Monate unterhalb der Burg finden….

    @Terry
    Das Terrain ist wirklich gnadenlos dort und in vielen anderen Ecken Japans – Stichwort walisische Küste. Solche Familienzusammenkünfte finden eigentlich nur alle paar Jahre mal statt. Ist auch besser so… so schön das alles auch ist – es ist echt anstrengend.

    @Juergen
    Kein Problem – mein Chef ist Engländer. Familienfeierlichkeiten werden normalerweise in Japan sehr ernst genommen – da sollte es (fast) allen möglich sein, einen Tag frei zu bekommen.
    Das Problem in Japan ist zudem nur zum Teil ein Chef, der keinen Urlaub genehmigt, sondern oft die Angestellten selbst, die sich nicht trauen, die ihnen zustehenden Urlaubstage zu nutzen.

  3. Was mich nur stutzig macht, ist dass du bis Montags geblieben bist. Das würde ja bedeuten, dass du einen Urlaubstag vollkommen aus der Reihe genommen hast. Ist man da in Japan jetzt nicht bei seinem Chef unten durch? ^^

  4. Die kleine Burg gefältl mir sehr gut. Wäre ja glatt eine Anschaffung wert. Meinst du, dass da knapp 300€ ausreichen? ;)

    Ich hoffe, es kommen noch weiter hübsche Bildchen zum angucken hinzu? ;P

  5. So viele Kinder bei dieser Zeremonie, da muss ja einiges los gewesen sein. Und die übrige Familie hatte keine Lust auf ein verlängertes WE (siehe voriger Eintrag)?

    Erstaunlich ist, dass einmal landwirtschaftlich kultivierte Flächen brach liegen gelassen wird. Soviel Nutzfläche hat Japan nicht. Wäre es nicht sinnvoll, Möglichkeiten einer weiteren Nutzung zu finden?

    Scheinst eine große Familie bekommen zu haben. Liest sich sehr interessant. Seit Nepal habe ich auch ein kleines Faibles für Buddhismus entwickelt. Allerdings habe ich nur wenig Einblick in die religiösen Zeremonien dieser Religion. Finden solche Zusammenkünfte in deiner Familie öfters statt? Ein bischen neidisch bin ich da schon!

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