BlogNeue und gefährliche Betrugsmasche: Polizeianrufe

Neue und gefährliche Betrugsmasche: Polizeianrufe

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Betrugsmaschen via Telefon sind in Japan nichts Neues – und natürlich auch in den meisten anderen Ländern “beliebt”. Doch es ist nicht nur der altbekannte Enkeltrick, der die Leute beunruhigt. In den letzten Wochen mehrten sich die Fälle einer ziemlich neuen Betrugsmasche. Und die ist recht perfide: Die potentiellen Opfer erhalten einen Anruf auf dem Mobiltelefon – die Rufnummer ist dabei sichtbar und endet oftmals auf der -0110. Schlägt man die Nummer im Internet nach, so findet man schnell heraus, dass es die offizielle Telefonnummer einer Polizeidienststelle ist. Besonders gern wird die Nummer der Polizeiwache von Shinjuku benutzt: 03-3346-0110. Wenn man den Anruf annimmt, stellt sich jemand als Polizeibeamter soundso vor und kommt gleich zur Sache: Es liege ein konkreter Verdacht vor, und der wird mit der und der Strafe geahndet. Wer in dem Fall nicht mit der Polizei kooperiert, macht sich ebenso strafbar. Und dann geht es los: Man muss nicht zur Polizeiwache, stattdessen kann die erste Untersuchung online via LINE (dem Whatsapp-Pendant in Japan) stattfinden. In dem Videotelefonat sieht soweit ebenfalls alles echt aus: Bis hin zum Poster eines Polizeimaskottchens im Hintergrund.

In der Regel geht es um Vorwürfe der Geldwäsche – was bedeutet, dass die falsche Polizei ganz ungeniert nach Bankdaten und dergleichen fragt. Wer diese Daten preisgibt, wird dann kurzerhand von seinen Ersparnissen befreit – ohne eine Chance, dahinterzukommen, wer die Täter waren. Denn natürlich benutzten die ein Spoofing-Verfahren, um eine falsche Telefonnummer vorzutäuschen.

Das Problem sind natürlich nicht nur die Kriminellen selbst – sondern vor allem das System, das solchen Betrugsmaschen Tür und Tor öffnet. Japanische Telefonbetreiber erklärten die Sache so: Im Inland gibt es recht strenge Regeln, was das Mitsenden der Rufnummern bedeutet. Doch im Ausland gibt es noch immer zahlreiche Telefonbetreiber, die es nicht so genau nehmen und so Spoofing möglich machen. Die in der Regel vom Ausland, meist irgendwo in Südostasien, agierenden Betrüger tragen dabei die Nummer einer japanischen Polizeiwache als die ihrige ein und können dann so die falsche Nummer mitsenden. Das klingt jedoch stark nach einer Ausrede: Sowohl Internetprovider als auch Telefonämter sollten technisch gesehen sehr wohl in der Lage sein, zu erkennen, ob ein Anruf aus dem Ausland kommt oder nicht. Die Tatsache, dass jemand aus dem Ausland eine rein japanische Telefonnummer vortäuschen kann klingt nach einer großen Sicherheitslücke. Die hoffentlich bald geschlossen wird, denn diese Masche ist besonders gefährlich – und erleichtert der Polizei die Arbeit auch nicht gerade.

Selbige warnt natürlich vermehrt vor der Masche – mit relativ einfachen Tipps: So versprechen die Betrüger auf jeden Fall einen 手口teguchi – einen Ausweg, um aus der vermeintlich misslichen Lage unbeschadet rauszukommen. Das würde die echte Polizei niemals tun. Ebenso führt die Polizei niemals Gespräche oder gar Verhöre über Line. Zu guter letzt hilft dann auch noch ein anderer Trick: Man fragt nach dem Namen, der Durchwahlnummer – und sagt dann einfach, dass man zurückruft. Und das kann man auch ganz einfach, in dem man die angezeigte Nummer zurückruft, denn der Anruf geht dann zur echten Polizeiwache.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

4 Kommentare

  1. Dazu meine 2 Yen:
    Wenn ich zum Dolmetschen ausruecken soll, erhalte ich zunaechst einen Anruf vom 通訳センター im Hauptquartier der Praefekturpolizei, ob ich verfuegbar sei. Wenn ich das bejahe, wird grob umrissen, worum es geht, und gleichzeitig wird mir der Anruf der ermittelnden Dienststelle nebst Bezeichnung selbiger und Namen des Ermittlers angekuendigt. Der Erstkontakt erfolgt NIE direkt telefonisch von der Dienststelle!
    Analog wird NIE per Telefon ermittelt. Um eine Aussage zu einem Sachverhalt zu erhalten, wird man entweder vorgeladen, oder ein Ermittler (meist sind es zwei) wird persoenlich vorstellig. Meist kommen die Beamten dann in Zivil, und selbst das Fahrzeug wird einen Block weiter weg geparkt, um der betroffenen Person das Gerede der Nachbarschaft zu ersparen.
    Dass die Nummern aller Polizeidienststellen auf -0110 enden, ist eine Tatsache, die sich die in dem obigen Beitrag genannten Betrueger zunutze machen. Auf jeden Fall beachten:
    -> Keine Panik!!
    -> Nach Dienststelle, Abteilung und Namen des zustaendigen Beamten fragen!
    -> Durchwahl geben lassen!
    -> KEINE FRAGEN BEANTWORTEN (“Ich kann jetzt am Telefon nicht sprechen” wuerde jeder Polizist verstehen – er kann ja nicht sehen, wer um den Angerufenen herum steht, sitzt oder liegt…).
    -> Zurueckrufen! Die echte Dienststelle wird es danken… ;-)
    Spaetestens beim vierten Punkt wuerde ein Betrueger auflegen… ;-)

    • Yep, der Punkt “Keine Fragen beantworten” darf natürlich nicht fehlen, sonst wird man ruckzuck in ein Gespräch verwickelt, aus dem man so schnell nicht mehr rauskommt.

  2. Ist in Deutschland auch verbreitet, meines Wissens ebenfalls mit gefälschten Nummern aus dem Ausland. Hier funktioniert die Masche (zumindest die, von der ich in den Medien gehört habe) so: Bei Ihnen in der Straße sind mehrere Einbrüche vorgekommen. Wir vermuten, dass Ihr Haus auch bald betroffen sein könnte. Haben Sie Bargeld oder Wertgegenstände zu Hause? Wir schicken einen Kollegen (also “Polizisten”) vorbei, der kann es sicher in Verwahrung nehmen.

    Das ganze mit entsprechend Druck. Die ganze Betrugsmasche basiert darauf, das menschliche Gehirn in einen Zustand zu versetzen, in dem es nicht mehr klar denkt.

    Normalerweise ist den Opfern kurz nach dem Betrug dann auch klar, dass sie gerade betrogen wurden. Sobald das Gehirn halt wieder im Klardenk-Modus ist.

    • Da in letzter Zeit einige spektakulaere Einbruchs- und Raubserien durch die Medien gingen, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis diese Masche hier auch einreisst!!
      Aeltere Leute, zumal auf dem Land, haben oft groessere Barbestaende zu Hause, und Bankschliessfaecher sind nicht sehr verbreitet…
      Mal ehrlich – wer weiss schon, wie ein echter Dienstausweis der japanischen Polizei aussieht?? Mein nicht mehr ganz junges Schwiegermonster z.B. koennte einen falschen Dienstausweis nicht auf Anhieb erkennen… Da gerade hier in Japan Polizisten gesellschaftlich hohes Ansehen und Respekt geniessen, ist so eine Masche besonders hinterfotzig!!

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