BlogJ-Alert in Aktion. Alles nur Panik?

J-Alert in Aktion. Alles nur Panik?

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J-Alert auf dem Handy
J-Alert auf dem Handy
Am 29. August, früh am morgen, brummte mein Handy zwei Mal kurz. Der Grund: Zwei Warnungen, herausgegeben vom sogenannten J-Alert, einem Raketenfrühwarnsystem. „ミサイル通過。ミサイル通過。“ – „Rakete fliegt vorbei, Rakete fliegt vorbei“. Wer etwas verdächtiges finde, solle nicht näher herangehen, sondern es bei der Polizei oder Feuerwehr melden. Die andere Meldung besagte, dass sich die Bewohner von Hokkaido, Tohoku, Nord-Kanto und Nord-Chubu – von 12 Präfekturen also – in stabile Gebäude oder Keller in Sicherheit bringen sollen. Morgens, um 6:14.
Grund war eine Mittelsteckenrakete, die von Nordkorea aus Richtung Pazifik abgefeuert wurde – die erste Rakete seit 2009 aus Nordkorea, die dabei Japan überquerte. Später am Tag wurde in den Nachrichten bemängelt, dass sich kaum jemand an die Warnung gehalten und in Sicherheit gebracht hatte. Kein Wunder. Sicher, man kann die Leute natürlich kirre machen, aber J-Alert schießt hier mit riesigen Kanonen auf winzigste Spatzen: Erstens handelte es sich (sehr wahrscheinlich) um einen Testabschuß – allzu viel TNT oder gar eine Atombombe sollte man also nicht in der Rakete erwarten. Außerdem weiß man aus Erfahrung, daß Nordkorea die Raketen so abfeuert, wie es üblich ist: Sehr hoch. In diesem Fall (und anderen Fällen vorher) befand sich die Rakete 550 km über Japan. In dieser Höhe sind bereits zahlreiche Satelliten unterwegs, und bei deren Vorbeiflug kann man ja auch nicht jedes Mal eine Warnung herausschicken. Und selbst wenn die Rakete unplanmässig bereits über Japan zu Boden gehen sollte – wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, davon getroffen zu werden? Hoch genug, um zig Millionen Menschen kirre zu machen und in Bunker zu schicken? Wohl kaum.
Ich halte J-Alert deshalb für einen nicht ernstzunehmenden PR-Gag der Regierung, die damit lediglich unterstreichen will, wie gefährlich wir doch leben, und wie notwendig es deshalb ist, dass Japan eine schlagfertige Armee unterhält. Und so könnte man das ganze natürlich als platten Aktionismus und groben Unfug abtun – wären da nicht die Erinnerungen an die alte Heimat: Ein fester Bestandteil des DDR-Alltags waren Sirenentests, und überall hingen Schilder, die erklärten, welche Töne was bedeuten: Bei 3 Minuten dauernder, auf- und abschwellender Sirene weisses Papier an die Fenster kleben, denn es könnte ein Atombombenangriff sein! Sicher, die Gefahr war damals realer. Von daher sehe ich es nicht ein, dass Kinder in Japan mit so einem Wahnsinn aufwachsen müssen. Was kommt wohl als nächstes? Wehrlager? Heimatschutzbrigaden? J-Alert hin oder her – wenn das die höchste Genauigkeit ist, die man mit dem System erreicht, ist es zu nichts zu gebrauchen und lediglich ein billiges, politisches Instrument.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. Mit Angst kann man halt gut regieren.
    Ist hier mit der Terrorhysterie ja auch nicht anders.
    Jedes Jahr sterben durch Dieselabgase (oder Emissionen von Kohlekraftwerken oder…) mehr Menschen als durch Terroristen seit bestehen der BRD umgekommen sind – aber Fahrverbote müssen unbedingt verhindert werden, und wegen dem islamistischen Terror müssen wir alle unsere Bürgerrechte an der Garderobe abgeben!

  2. gut finde ich ja die aufforderung in die keller zu gehen… wer bitte schön hat denn wohl einen keller??!! also wohl die neben einem shopping center etc. wohnen..

  3. Die Warnung habe ich auch gekriegt (war aber gerade in Deutschland) und habe mich gefragt, wo denn der nächste Keller sein soll. Wir können uns ja nicht alle im U-Bahnhof verbunkern.
    Sag mal, darf ich dir jetzt meinen Bericht übers Gefängnis schicken?

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