BlogEin Finanzminister der seine Steuern nicht zahlt

Ein Finanzminister der seine Steuern nicht zahlt

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An Skandalen ist die japanische Regierung — egal, welche — in der Regel nicht arm. Das gilt auch für das erst im September 2023 neu aufgestellte Kabinett von Premierminister Kishida, denn innerhalb von 2 Monaten mussten nun schon 3 Kabinettsmitglieder zurücktreten. Zuerst traf es Taro Yamada, den stellvertretenden Minister für Bildung, der über eine außereheliche Affäre stolperte. Ihm folgte Mito Kakizawa, stellvertretender Justizminister, der bei seinem Wahlkampf mal eben hier und da nette Bargeldsummen verteilte, damit seine favorisierte Kandidatin die Wahl gewinnt. Heute nun folgte Kenji Kanda, stellvertretender Finanzminister, dessen Firmen über Jahre hinweg keine Steuern zahlten. Selbst bei der Zahlung der KFZ-und anderer Steuern hinkte er hinterher, doch bei seinem Unternehmen war die Lage besonders prekär, da es in der Vergangenheit bereits drei Mal zu Pfändungen kam.

Auf Anfrage im Parlament äußerte sich Kanda zu den Vorwürfen dahingehend, dass er zu viel um die Ohren hatte und so die Zahlungstermine einfach verschlafen hätte. Das ist jedoch schwer zu glauben, denn die japanische Finanzbehörde hat eigentlich ein unmissverständliches Eskalationssystem: Erst erhält man den Zahlungsbescheid, nach ein paar Wochen Verzug dann bis zu drei Mahnungen, genannt 督促状tokusokujō, gefolgt von Anrufen und später persönlichen Besuchen durch Angestellte des zuständigen Finanzamtes. Im Prinzip will das Finanzamt dann erst mal nur „reden“ — man will wissen, warum noch nicht gezahlt wurde und wann man gedenkt, zu zahlen. Hilft das alles nicht, wird ein 差し押さえsashiosae erst angekündigt und später dann vollstreckt. Das Finanzamt versucht also, zu pfänden – zuerst die Konten, und wenn das nicht hilft, Immobilien oder Geräte. Oder das Konto des Firmenbesitzers zum Beispiel. Es gibt also zahlreiche Stufen, die sich über mehrere Monate lang hinziehen, bis es ernst wird. Das drei Mal zu „verschlafen“, erst recht als stellvertretender Finanzminister, ist äußerst unglaubwürdig. Außerdem meldeten sich noch einige andere Personen aus dem Dunstkreis des Vizeministers zu Wort, die berichteten, dass sich der ehrenwerte Herr zu dieser und jener Gelegenheit Geld lieh — und nie zurückzahlte. Kishida hat mit der Ernennung von Kanda zum stellvertretenden Finanzminister den Bock zum Gärtner gemacht und übernahm dafür heute auch die Verantwortung, doch ohne irgendwelche Konsequenzen tragen zu wollen.

Der Fall Kanda dürfte allerdings nur wenig ins Gewicht fallen, denn die Umfragewerte des Kabinetts Kishida sind ohnehin schon im Keller. Gerüchte über mögliche, vorgezogene Neuwahlen schwirren zwar schon lange durch den Raum, doch den Posten des Parteivorsitzenden hat Kishida bis September 2024 inne, und die nächsten turnusgemäßen Unterhauswahlen stehen gar erst im Oktober 2025 an. Theoretisch kann Kishida das ganze also einfach aussitzen — und wie immer verlauten, dass er „alles freundlich und verständlich erklären werde“. Ein absolutes Trauerspiel.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass die japanischen Finanzbehoerden SEHR nachsichtig sind – es geht ihnen darum, faellige Steuern irgendwie fuer alle Seiten schadensmindernd einzutreiben, und die Kuh zu schlachten, die einem Milch geben soll, ist dabei das allerallerletzte Mittel, waehrend in Deutschland sich das Viehnanzamt sehr schnell an allem labt, dessen es habhaft werden kann, auch wenn der Steuerschuldner danach zum Sozialfall wird, die Firma pleite macht und die Angestellten zum Jobcenter muessen.
    Umso weniger Verstaendnis habe ich fuer diesen Minister, der das System offenbar in der Absicht missbraucht hat, den Staat um faellige Steuern zu prellen (Steuerschulden verjaehren m.W. nach sechs Jahren).
    Der im Beitrag nach den drei Mahnungen genannte Hausbesuch dient tatsaechlich einem Gespraech zwecks Loesung des Problems, und wer tatsaechlich temporaere Schwierigkeiten hat, kann immer auf offene Ohren hoffen. Krankheit, Unfaelle, Zahlungsausfaelle durch Kunden koennen auch dem umsichtigsten Unternehmer hart treffen. Persoenlich wuerde ich sogar dazu raten, proaktiv auf die Finanzbehoerden zuzugehen, wenn absehbar ist, dass es bei einem Steuertermin zu Problemen kommen kann.

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