BlogDer Tigermaskeneffekt

Der Tigermaskeneffekt

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Ein paar Tage vor Weihnachten vergangenen Jahres trauten die Angestellten eines Kinderheimes ihren Augen kaum: Vor der Tür der Einrichtung standen etliche Kartons mit nagelneuen Schulranzen – in Japan kennzeichnenderweise ランドセル (Landser) genannt – obwohl das Wort wohl ursprünglich vom niederländischen Wort „ransel“ abstammt. Die edle Gabe stammte laut Beipackzettel von „Tiger Mask“ – einem seit Ende der 60er Jahre sehr beliebtem Mangahelden (ein Wrestler mit Tigermaske). Die Spende war anonym und das Schreiben dazu strotzte vor Bescheidenheit (wie üblich in Japan).

Dieser „Vorfall“ geisterte umgehend durch die Medien – mit dem sehr angenehmen Effekt, dass plötzlich an vielen verschiedenen Orten im ganzen Land plötzlich mal mehr, mal weniger anonyme Spenden abegegeben wurden – bis heute über 300 Spenden in 42 Präfekturen. Darunter auch bewegende Fälle wie der des 24-jährigen Naohito (der den gleichen Namen trägt wie eine der ersten Tigermaskenfiguren) – er legte seinen gesamten ersten Bonus (mehrere tausend Euro) in Schulranzen an und spendete sie) oder der eines älteren Mannes in Chiba, der knapp 10’000 Euro in Bargeld spendete.
Ein bekannter Boxer, selber auch einst im Heim grossgeworden, brachte es heute bei einem Interview auf den Punkt: „So etwas sollte eigentlich selbstverständlich sein – ich hoffe, dass diese Spendenwelle nicht irgendwann endet“. Nun, die Spendenwelle wird bestimmt abebben. Aber wer weiss – vielleicht wurde ja so eine neue Tradition geschaffen, nach der ab jetzt rund um jedes Weihnachten anonyme Spenden abgegeben werden.
Das Wort des Tages: 寄付 kifu. Spende.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. @Juergen
    Also zumindest Politiker haben damit nicht das geringste Problem hier!
    Im Ernst – natürlich ist die Barriere gerade in Japan sehr hoch, was das annehmen von Spenden anbelangt. Gespendet wird aber gern (obwohl mir Vergleichszahlen zu D nicht vorliegen), und im obigen Fall gibt es auch kein Problem, da die Spenden nicht an Individuen, sondern an Einrichtungen, zumal für Kinder, gehen.
    Davon mal abgesehen bin ich in Japan auch schon ein (!) Mal von einem Obdachlosen um Almosen gebeten worden…

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