Man nehme: Sesampaste (wie zum Beispiel Tahini), Hackfleisch, Chili, Szechuan-Pfeffer, Mehl, Soda und etwas Grün für’s Auge, Soyasauce, Zucker, und ein paar andere Zutaten, und fertig sind Dandanmien, oder “Tantanmen”, wie das Gericht genannt wird: Dieses kommt aus der chineischen Provinz Sichuan, ist aber auch in Japan sehr beliebt. Salopp gesagt kann man bei diesen Zutaten nicht viel falsch machen – man muss schon lange suchen, um Tantanmen zu finden, die furchtbar schmecken. Aber genau das macht dieses Gericht so interessant, denn mit wenigen Kniffen und Gewürzen kann man daraus ein absolutes Gedicht zaubern.
Das hat sich auch das Lokal “Akai Kujira” (wörtlich: Roter Wal) auf die Fahnen geschrieben. Man braucht nur aus dem Ausgang der U-Bahnstation Akasaka zu stolpern, und schon ist man so gut wie im Lokal. Das geschmackvoll eingerichtete Restaurant gibt es seit August 2019 – im Inneren finden fast 20 Personen Platz, womit der Rote Wal relativ groß ist. In Gläsern auf dem Tresen sieht man schon Gewürze wie Sternanis, Nikkei (chinesischer Zimt) und dergleichen. Hier gibt es im Prinzip fast “nur” Tantanmen – als Suppe und auch als 汁無し, also als Version ohne Suppe. Dazu kann man verschiedene Spielarten ausprobienen – zum Beispiel mit 排骨 (chinesische Schweinerippchen), mit Koriander, mit Curry, oder – und das ist neu – mit Käse. Zudem kann man sich extra ein Schälchen mit Sesamkörnern dazubestellen, die man dann selbst im Mörser zermalmt und in die Suppe gibt. Für Gäste, die kein Sesam mögen, gibt es auch noch Ramen auf Soyasaucenbasis.
Beim Bestellen wird man gefragt, wie scharf (辛さ) und wie betäubend (痺れ) man die Suppe möchte: 1 bedeutet ohne Schärfe, 3 bedeutet extra scharf. Für die Schärfe sorgt vor allem das Chili, für das Betäubende der Szechuan-Pfeffer. Wer normal scharf essen kann, macht mit Stufe 2 nichts falsch.
Die Präsentation der Nudelsuppe ist ansehnlich – erst recht, wenn man dazu ausgezeichnet passendes Koriander wählt, welches für einen schönen Kontrast in der Schüssel sorgt. Der Szechuan-Pfeffer wird frisch gemahlen als Pulver auf die Suppe getan – man ist gut beraten, dieses erstmal unterzurühren. Die Nudeln sind bissfest und nehmen gut die dicke, stark nach Sesam duftende Suppe auf. Die Suppe selbst ist ein Gedicht – der “Rote Wal” stellt eigens dafür sein eigenes 辣油 (Chiliöl, mit vershiedenen Gewürzen wie Sternanis, Zimt, Nelken und dergleichen) her. Weich und rund durch die weiße Sesampaste, mit einer perfekt ausgewogenen Gewürzmischung, bei der keines der Gewürze zu stark in den Vordergrund tritt.
Die 汁-Variante ist zwar geschmacklich freilich ähnlich, aber hier sind die Nudeln wesentlich dicker – mit einem deutlichen Hinweis darauf, dass sie selbstgemacht sind. Hier ist die “Tokusei”-Variante besonders empfehlenswert: Zwar stört der enorme Berg Sojasprossen erstmal, aber die Scheibe Chashu sowie eine Scheibe 排骨 und drei Wachteleier passen wunderbar zum Gericht – die Sojasprossen, so man sie ordentlich durchmischt, nehmen ein bisschen von der Schärfe.
Der “Rote Wal” ist etwas für Fortgeschrittene: Wer noch nie Tantanmen gegessen hat, wird hier möglicherweise von der Wucht der Gewürze erschlagen. Wer nicht mit Tantanmen vertraut ist, sollte es lieber vorsichtig mit “Schärfestufe 1” beginnen. Für Fans ist dieser Laden jedoch ein Ort, an den man immer wieder zurückkehren möchte. Das ist relativ einfach: Der Rote Wal hat 365 Tage im Jahr geöffnet – von 11 bis 23 Uhr.