BlogKugelfisch vs. demographischer Übergang

Kugelfisch vs. demographischer Übergang

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Bekannterweise leidet Japan seit geraumer Zeit an Bevölkerungsschwund mit einhergehender Überalterung der Bevölkerung. Steht ja quasi in Verbindung miteinander. Die Stadtobersten der Verwaltungseinheit Tokyo haben sich jetzt dabei zumindest eine Maßnahme gegen die Überalterung der Bevölkerung ausgedacht: Die Stadtversammlung möchte eine Anordnung aus dem Jahre 1949 kippen, die da heisst ふぐ取扱業等取締条例 – zu deutsch: Anordnung zur Regulierung kugelfischverarbeitender Wirtschaftszweige. Schöner Name, oder. In Tokyo, aber auch in vielen anderen Präfekturen, benötigen Köche, die Kugelfisch zubereiten wollen, eine Sondergenehmigung. Dazu müssen sie Kurse belegen und Prüfungen ablegen. Das kostet ziemlich viel Geld, und so gibt es Fugu (Kugelfisch) nur in Spezialitätenrestaurants. Fugu ist entsprechend teuer in der Hauptstadt.
Doch dem 東京ふぐ料理連盟 (Tokyo-Verband für Fugu-Zubereitung) droht Unheil. Die Stadtversammlung ist dabei, die Prüfungspflicht ab Oktober aufzuheben. Oh je, was wird wohl geschehen? Werden tagtäglich dutzende betrunkene Salaryman Opfer ihrer Kugefischsucht, weil sie in irgendwelchen billigen Kaschemmen ihrem Gourmetwahn fröhnen? Kann man so der Überalterung vorbeugen?

Frittierter Kugelfisch – hier in Ise, Präfektur Mie
Naja, letztendlich eher nicht. Unausgebildete Köche dürfen zwar dann Kugelfisch anbieten, aber sie dürfen nur mit ausgeweidetem Kugelfisch arbeiten. Ungiftigem also. Ausgenommenen Kugelfisch kann bereits jetzt jedermann im Internet bestellen, und vor allem in Shikoku und Kyushu sind die Regeln schon lange nicht so streng – dort ist Fugu gang und gäbe und weit günstiger zu haben als in Tokyo. Von daher wirkt das Gesetz in der Tat überholt.
Das Gesetz wurde übrigens erlassen, weil es nach dem Krieg an Essen mangelte und dementsprechend gegessen wurde, was vorhanden war. War es Kugelfisch, wurde jener eben verzehrt – natürlich von Laien zerlegt. Das kann ins Auge gehen.
Ach ja: Der ursprüngliche Reiz beim Kugelfischverzehr lag früher übrigens darin, eine wohldosierte Menge des Gifts im Fisch zu lassen. Das soll ein besonderes Kribbeln im Rachen erzeugt haben. Russisch Roulette für Feinschmecker eben.

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tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

6 Kommentare

  1. Lustigerweise habe ich die meisten dieser Spezialitäten immer als ziemlich geschmacklos empfunden und die “einfachen” Gerichte bevorzugt.

  2. Viel Eigengeschmack hat der Fugu ja nicht! Aber der Reiz liegt ja anscheinend darin, das die Betäubung, oder Lähmung im Mundraum gewollt und erwünscht ist. Ein bischen kribbeln gehört halt dazu, unter Kenner!
    Daher wurde im Dezember 2011 dem Koch des 2 Sterne-Michelin-Restaurants Fukuji in Tokyo Ginza auch gekündigt (ihm droht eine Geldstrafe oder Gefängnis. Das Restaurant ist seine Fugu-Lizenz los! Der Chefkoch habe der Bitte des Stammkunden entsprochen, und 20 Gramm Fuguleber serviert(besonders giftig und verboten zu servieren!
    Auch er hat probiert, nur die 35 jährige Begleitung des Stammgastes hatte Kopfschmerzen und Lähmungserscheinungen an der Lippe. Sie wurde im Krankenhaus behandelt und war bald wieder obenauf!
    Der Ruf des Restaurants ruiniert, der Koch seinen Job los, und der Überalterung wird auf diesem Weg, auch entgegengewirkt-wenn auch langsam(in Tokio sind in den letzten 10 Jahren 8 Fälle registriert worden, einer davon endete tödlich)!
    LG
    ;-)

  3. @BigAl, Snake
    Das gilt glaube ich nicht nur für Japan. Mit der vielgerühmten Gänseleberpastete kann ich auch nicht viel anfangen, und mit Champagner auch nicht. Die verfaulten chinesischen Eier sind auch nicht mein Ding. Kaviar hingegen… man kann sich dran gewöhnen.
    Fugu schmeckt meiner Meinung nach schlecht – aber nur, weil er eigentlich nach nichts schmeckt. Vor allem Fugu-Sashimi finde ich ziemlich fad.
    @Samoht
    Die Geschichte kannte ich noch gar nicht – vielen Dank dafür! Und danke auch für den Link – der ist natürlich kein Problem und sehr willkommen.

  4. Schon mal Surströming gegessen? Ich glaube, da brauch man kein Gift von iurgendeinem kugligen Fisch – einfach lange genug rumstehen lassen und die Fischvergiftung ist im hohen Alter wesentlich effizienter als Kugelfischgift ;-)

  5. Kann bestätigen aus eigener Erfahrung: Fugu hat praktisch keinen Eigengeschmack und betäubt ganz leicht die Zunge. Warum man das mögen kann ist mir ein Rätsel. Gekocht in der Suppe ist er besser.. allerdings schmeckt er dann wie normaler Fisch. Meine Frau ist absolut wild auf Tesa (Fugu Sashimi, ganz dünn geschnitten von einer knackigen Konsistenz).

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