BlogJapans Kampf mit der transpazifischen Freihandelszone

Japans Kampf mit der transpazifischen Freihandelszone

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Eines der Schlagworte in den japanischen Nachrichten in den vergangenen Wochen war TPP – dieses Kürzel steht für Trans-Pacific Strategic Economic Partnership, auf Japanisch 環太平洋連携協定 (Kan-Taiheiyō Senryakuteki Keizai Renkei Kyōtei). Kein Wunder, daß man die Abkürzung auch hier bevorzugt.

Japan 2011: Hast Du Butter, hast Du Freunde
Seit Jahren gibt es eine Diskussion darüber, ob man der illustren Runde beitreten soll: Momentan zählen die USA, Australien, Neuseeland, Brunei, Singapur, Malaysia, Peru, Chile und Vietnam dazu. Und die Diskussion wurde mit Verve einerseits und heftiger Skepsis andererseits geführt. Wirtschaftlich gesehen ist Japan schon immer protektionistisch veranlagt, vor allem, was die Landwirtschaft angeht. Siehe hier: TPP – Ende des horrenden Protektionismus?, geschrieben vor exakt einem Jahr auf diesem Blog.
Nun ist TPP kein Freihandelsabkommen im eigentlichen Sinne, aber es gilt als Meilenstein auf dem Weg hin zur lange zwischen APEC-Staaten diskutierten FTAAP – Free Trade Ara of the Asia Pacific. Und das wäre wirklich eine Sensation für Japan und würde hier sicher einiges umkrempeln. Selbst das TPP würde allerdings schon das Entfallen zahlreicher Importsteuern mit sich bringen.
Südkorea ist da schon einen Schritt voraus – das Freihandelsabkommen mit der USA ist schon ausgehandelt, und es wurde Mitte Oktober 2011 von der US-Regierung ratifiziert. Jetzt muss es nur noch vom südkoreanischen Parlament abgesegnet werden. Auch in Südkorea gab und gibt es dabei etliche Proteste (das ist in Südkorea allerdings Usus) – vor allem seitens der Bauern, die besorgt sind, dass bald billige amerikanische Agarprodukte die heimische Landwirtschaft schädigen. Die Bedenken sind die selben in Japan, und auch hier demonstriert die Agrarwirtschaft bereits kräftig (siehe unter anderem hier: Dairy Japan: 6,000 Menschen demonstrieren gegen TPP-Verhandlung). Nein, dass ist nicht der typische Verwechsler zwischen R und L: Die nennen sich wirklich “Dairy Japan”.
In der vergangenen Woche wollte sich Ministerpräsident Noda nun entscheiden. Dann hiess es, heute Nacht werde er sich entscheiden. Dann am nächsten Tag. Dann erbat er sich noch einen Tag Bedenkzeit. Schliesslich liess sich die Entscheidung nicht mehr länger herauszögern, und er sprach sich für Beitrittsverhandlungen aus. Und zwar offiziell, bei der APEC-Konferenz. Sollte nichts dazwischen kommen, würde man 2012 beitreten und 2013 die Verhandlungen komplett abgeschlossen haben. In Kraft treten soll das Abkommen 2014.
Die Verhandlungen zum Abkommen werden interessant. Protektionisten malen bereits massiv den Teufel an die Wand und sprechen vom Untergang der japanischen Landwirtschaft. Die Stimmen derer, die ein Freihandelsabkommen eher als Chance begreifen, ist noch in der Unterzahl. Beziehungsweise werden sie im Primärsektor wohl nie die Mehrzahl erreichen. Während ich diesen Artikel hier verfasse, lese ich jedoch just bereits das erste Dementi: Das amerikanische Aussenministerium habe bekanntgegeben, Japan würde bei den Verhandlungen zum TPP alle Produkte und Dienstleistungen zur Verhandlung freigeben. Jetzt folgte das Dementi seitens Japan: Das sei nie gesagt worden.
Man muss kein Orakel sein, um zu sehen, was kommt: Herumeierei, genau wie im Streit um die amerikanischen Stützpunkte in Japan. Wahrscheinlich wird man die Landwirtschaft oder zumindest einen Teil davon irgendwie ausschliessen. Oder die Verhandlungen abbrechen.
Eigentlich wäre das TPP doch ganz willkommen. Warum?
1. Momentan wird hier mal wieder Butter rationiert, wie schon vor 3½ Jahren, da wohl “nicht genügend Rohmilch produziert werden konnte”. Das ganze ist schlichtweg lächerlich. Und da man Butter kaum importiert (Importzoll auf Butter: 360%), werfen die grossen Molkereien (davon gibt es eigentlich nur zwei: Morinaga & Yukijirushi Megmilk) alberne Ersatzprodukte wie “Margarine, die genau wie Butter schmeckt” usw. auf den Markt. Und wenn man mal Butter bekommt, bezahlt man sich dumm und dämlich. Mit dem TPP wären die japanischen Molkereien endlich gezwungen, die Karten auf den Tisch zu legen und die Menge nicht künstlich niedrig zu halten, denn das ist genau das, was sie gerade bzw. seit Jahren machen.
2. Tritt das südkoreanisch-amerikanische Freihandelsabkommen in Kraft, würde folgendes passieren: Ein Toyota, der in Südkorea verkauft werden soll, wird vom Toyotawerk in den USA über den Pazifik geschifft, da die Importzölle niedriger sind als zwischen Japan und Südkorea. Ergo: Japanische Firmen würden massiv Arbeitsstätten ins Ausland verlegen (das machen sie jetzt schon, aufgrund des starken Yens, aber es würde den Trend verstärken).
3. Japan steht bereits jetzt ziemlich allein da.
Japan braucht Freihandelsabkommen, um sich auch in Zukunft mit seinen erstarkenden Nachbarn, vor allem China, messen zu können. China wurde übrigens nicht zu TPP-Verhandlungen eingeladen.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

6 Kommentare

  1. Es ist schon wirklich fast lächerlich wie Japan sich da abschirmt, ich tippe mal es wird beim Rumgeeier bleiben. Dabei ist es wirklich schade, denn die teilweise wirklich horrenden Importzölle erzeugen Situationen (wie das Beispiel mit der Butter) die ein Land wie Japan nun wirklich nicht nötig hätte.
    In Südkorea wird übrigens auch deshalb heftig debattiert, weil man vor bestimmten Produkten einfach Angst hat. Erst gestern habe ich in der Chosun Ilbo (sehr konservatives Blatt) gelesen, dass viele Produkte einfach dem Land und den Menschen schaden würden, Betonung wurde hier mal wieder auf Rindfleisch aus Ami-Land gelegt und die damit drohende BSE Gefahr. Trotzdem wissen Koreaner sehr genau, dass sie da schon mitziehen müssen, um Ihre Wirtschaft weiterhin anfeuern zu können.
    Ich weiß nicht, vielleicht ist das nur mein Eindruck, aber ich habe bei Japan wirklich das Gefühl, dass man sich da überhaupt nicht bewegt, keine neuen Wege probiert und sich krampfhaft an verkrustete Strukturen klammert ohne über die langfristigen Konsequenzen nachzudenken. Angst vor einer Öffnung des Landes zu haben ist verständlich, die Globalisierung hat ja genug Schattenseiten, aber sich so in jeglicher Hinsicht abzuschotten… es fällt mir wirklich schwer das nachvollziehen zu können.

  2. Ich kann da Jakub nur beipflichten. Japan verharrt seit dem Beginn der 90er in der Schockstarre der Bubble Economy, weigert sich jedoch beharrlich irgendwas an seiner Situation zu ändern, aus diffuser Angst vor Veränderungen.
    Und so sieht man langsam den schleichenden Verfall, bzw. wie Japan von allen anderen langsam eingeholt und überholt wird.
    Dabei ist Japan doch in der gleichen Situation wie Deutschland, sie Leben vom Export ihrer High-Tech Güter und Landwirtschaft spielt außer populistisch nicht wirklich eine riesige Rolle. Und man sehe sich Deutschland an und überlege wie sehr wir von den gefallenen Handelsbarrieren innerhalb der EU profitieren. Wenn also 5 Kühe weniger in Japan grasen wegen Billigbutter aus den USA, dafür 2 Toyota-Fabriken mehr, dann ist das durchaus kein schlechter Deal.

  3. Naja, ganz so unbeliebt ist TPP in der japanischen Wirtschaft nicht. Auch und speziell die japanische Autoindustrie und Keidanren unterstuetzen TPP – mit anderen Worten die konkurrenzfaehigen Teile der jap. Wirtschaft.
    Ich habe vor einer Weile mal einen Essay ueber FTAs in Asien gelesen und der Autor meinte, dass fruehe Freihandelsabkommen wie in Suedkorea und Singapur zu einer Art Dominoeffekt fuehren wuerden, dem auch Japan sich nicht entziehen koennte. Nun ich bin gespannt. Es waere auf jeden Fall interessant, was mit der japanischen Landwirtschaft und Gesellschaft allgemein passieren wuerde, wenn Japan weniger Protektionismus betreibt.
    (Man darf auch nicht vergessen, dass dieser Protektionismus von der LDP zu verantworten ist und eines ihrer Machtwerkzeuge.)

  4. Zu meinen Vorkommentatoren: Vergleichbar mit D. ist Japans Landwirtschaft allerdings nicht. Aufgrund der klimatischen und geographischen Faktoren kann die japanische Landwirtschaft einfach nicht weltweit konkurrenzfaehig werden.* Dass die japanischen Bauern da protestieren ist schon klar: Mit der TPP koennte der gesamte Sektor implodieren. Bereits jetzt lebt man z.B. beim Reis von staatlichen Subventionen und Importzoellen. Muss ich noch hinzufuegen, dass der durchschnittliche japanische Bauer 65 (!) Jahre alt ist?
    * Dazu kommt noch die fehlende historische Notwenidgkeit zur Konkurrenzfaehigkeit aufgrund von LDP-Subventionspolitik.

  5. Es ist wirklich schwer abzuschätzen, wie sich das entwickeln würde.
    Aus Sicht eines Konsumenten ist das natürlich zunächst mal toll. Wow, man muss gar nicht mehr eine Woche lang Cupramen essen, um sich das Steak und die Mandarinen am Sonntag zu leisten.
    Auf der anderen Seite kann man nur betonen, was Lori schon schrieb, ich aber trotzdem wiederholen möchte: Außer den exportierenden Großunternehmen ist Japans Wirtschaft dermaßen nicht konkurrenzfähig, das viele Betriebe dichtmachen müssten.
    Nicht nur in der Landwirtschaft, aber gerade da hängen ganze Landstriche dran. Vielleicht würden noch einige Premiumprodukte, wie Kobe- oder Miyazakibeef überleben, aber der Großteil von Lebensmitteln würde sichelich importiert werden.
    Woher ist auch klar. Und was chinesische Komilitonen so erzählen, gäbe es dann wohl deutlich mehr Lebensmittelskandale in Japan…
    Und was den Stukturwandel angeht, der vielleicht mit so einer Öffnung dahergehen würde: Natürlich denkt man dann sofort, das wäre toll, weil ja dann ja alles viel effizienter gestaltet werden müsste.
    Ich könnte mir allerdings gut vorstellen, daß eine japanische Antwort auf solch’ verschärfte Konkurrenz ganz anders aussehen würde. Eben nicht den unproduktiven Teil der Arbeitnehmer entlassen, sondern stattdessen das Lohnniveau deutlich drücken, und noch mehr perkäre Arubaitoverhältnisse[1]. Statt effizienter zu arbeiten, einfach noch längere Arbeitszeiten und noch weniger Arbeitnehmerrechte…
    [1] haha, geht ja gar nicht, sind ja alle Mittelstand hier…

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