Manchmal wird man in Japan in Sachen Fremdenverkehr – gemeint sind vor allem inländische Touristen – etwas eigenartig. Fahren Japaner irgendwo hin, egal ob im eigenen Land oder anderswo, gehört die Suche nach örtlichen Spezialitäten in der Regel zu den Höhepunkten des Besuches, und darauf hat sich die Tourismusindustrie natürlich auch eingestellt. Wohin man auch fährt – überall gibt es Märkte, die vor Ort produzierte Sachen anbieten. Das ist an sich eine sehr gute Sache, und ich zähle mich auch zu denen, die gern dort halt machen. Aber nicht selten ist die Enttäuschung groß. Und manchmal bleibt nur Kopfschütteln. So zum Beispiel gestern, bei einem kurzen Ausflug auf die Miura-Halbinsel südlich von Tokyo. An einem kleinen Hafen steht dort der “URARI Seafood Market”, ein großes Bauwerk, in dessen 2. Etage man auch Obst und Gemüse aus der Region verkauft. Die Miura-Halbinsel ist unter anderem für den Rettichanbau berühmt. Der Markt war gut besucht, wirkte aber etwas seltsam, da auf den großen Auslageflächen immer nur zwei, drei verängstigt wirkende Gemüse herumlagen. Also nicht ein Berg von Zwiebel hier und ein Haufen Rettich da, sondern immer nur zwei bis drei Tüten. Mit Preisen, die sich gewaschen hatten. Sicher, in den vergangenen Monaten ist alles spürbar teurer geworden, aber die Preise für Gemüse im Urari lagen jenseits von Gut und Böse.
Der Höhepunkt war jedoch der Gemüse-DJ, der in der Ecke stand und die ob der hohen Preise so sprach- wie ratlosen Kunden vollquasselte: “Und jetzt, gerade erst reingekommen – sehen sie, auf dem hinteren Tisch, da gibt es jetzt ganz frische Kohlköpfe!” In der Tat: Eine Angestellte legte dort gerade drei Tüten mit jeweils einem Kohlkopf drin ab. Für gut 3 Euro pro Stück. Im hiesigen Supermarkt kostet der in etwa einen Euro. Ich habe schon viele Ansagen in meinem Leben gehört, aber noch nie habe ich eine mit einem unspektakuläreren Informationsgehalt als diese gehört. Natürlich war klar, das es sich hier um einen billigen Marketingtrick handelte: Die Menge der angebotenen Ware wurde hier bewusst ganz gering gehalten, um zu suggerieren, dass es sich um die letzten Exemplare handelt. Das macht es einfacher, die Skepsis ob der Wucherpreise zu überwinden. Da steckt ganz bestimmt ein sehr pfiffiger Manager dahinter, der lange studiert hat und nun den Verkauf “optimiert”. Schaut man sich jedoch die Preise für exakt das gleiche Gemüse, ebenfalls aus lokalem Anbau, an den oft unbemannten Verkaufsständen mit einer Kasse des Vertrauens unterwegs an, so muss man das Gehabe fast schon als Betrug bezeichnen. Statt Rheumadecken sind es hier eben unschuldige Kohlköpfe und Rettiche.
Bei solchen Orten gilt in Japan im Allgemeinen: Augen auf und wachsam bleiben. Bloss weil ein Fischmarkt berühmt ist, heißt es noch lange nicht, dass der Fisch dort wirklich gut, oder gar preiswert, ist. Im Gegenteil. Beispiel Numazu, ein berühmter Küstenort mit viel Fischerei westlich von Tokyo: Dort gibt es direkt am Großmarkt zahlreiche Fischrestaurants, inklusive Sushi. Doch die Preise sind in vielen Restaurants schlichtweg überhöht – und die Qualität nichts Besonderes. Da ist man gut daran beraten, einen Bogen darum zu machen und ein kleines bisschen abseits zu suchen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan ohne gute Orts- und Sprachkenntnisse…