BlogWie viel Fisch verträgt der Mensch?

Wie viel Fisch verträgt der Mensch?

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Vorgestern, spät am Abend, waren wir endlich am Ziel: Am südlichsten Hotel der japanischen Hauptinseln, ganz am Ende einer langen Halbinsel. Der nächste Convenience Store, das nächste Restaurant, überhaupt, die nächste nennenswerte menschliche Siedlung liegt gute 30 km weiter nördlich, und wer von hier weiter in die anderen drei Himmelsrichtungen möchte, muss verdammt gut schwimmen können. Das einsame Hotel steht direkt am Strand, ist keine Schönheit aber alles in allem nicht schlecht. Mangels Alternativen bleibt zum Abendessen nur das Hotelmenü.
Fisch mochte ich früher nicht besonders. Fisch war für mich Karpfen blau oder andere Kreaturen des Wassers, die ganz sicher mit Absicht überall ihre Gräten hinwachsen liessen. Dieses Herumgepule und Gestochere war gar nicht so mein Ding, und es gab auch nur drei Gründe für mich, den Silvesterkarpfen seiner Bestimmung zuzuführen: 1. der Anstand (und natürlich die kindliche Pflicht), 2. die zerlassene Butter, die dazu gereicht wurde, und 3. der darüber gesprenkelte Zitronensaft. Ohne diese drei Dinge hätte ich sicherlich jedes Mal pünktlich zu Neujahr ein unerklärbares, allgemeines und auf den ganzen Körper übergreifendes Unwohlsein simuliert, nur um der blauen Bestie aus dem Schlamm hiesiger Tümpel zu entkommen.
Irgendwann merkte ich aber auch, dass Fisch ganz anders kann, wenn er nur will. Der Hering als solcher ist in Sachen Gräten wesentlich nutzerfreundlicher, und wenn er sich dann auch noch dazu herablässt, seine edlen Filets in Apfel-Sahne-Sauce oder Remoulade zu tunken, kann er ganz passabel sein. Auch Freund Rollmops sieht nicht nur possierlich aus, sondern eignet sich als ganz passables Katerfrühstück. Auch der Gemeine Räucherlachs wurde zu einem guten Kumpel – und ich machte bereitwillig einen weiten Bogen um Zeitungsartikel, in denen lang und breit beschrieben wurde, wie ungesund der Zuchtlachs sei. Nicht jeder hat einen Bären zur Hand, um sich den Lachs selbst fangen zu lassen, und außerdem haben Bären keinen blassen Schimmer von der hohen Kunst des Räucherns. Und da wäre auch noch der berüchtigte Fisch a la Bordelaise (gibt’s das eigentlich noch!?), der vor allem in den Tiefkühltruhen gut sortierter Supermärkte hauste. Als Student bildete man sich damals tatsächlich ein, dass eine gelegentliche Fischmahlzeit sicher unter gesunder Ernährung verbucht werden kann, und dass man sich so mit seinem Körper nach durchzechten Nächten in verräucherten, dubiosen Studentenklubs wieder versöhnen kann.

Nun, mit Freund Karpfen sollte ich mich nur noch ein Mal wiedersehen. Süßsauer kam er daher, in Kaifeng, mitten in China. Und siehe da, er mundete. Was Fisch aber wirklich ist, lernte ich erst in Japan kennen. Sieh an, es gibt mehr als gepressten, weissen Fisch oder silbrig schimmernde Rollmopse und verstrahlte norwegische Lachse! Und man kann Fisch sogar roh essen! Und der schmeckt auch noch! Verrückt.
Vorgestern wurde jedoch meine neue Liebe zum Fisch in besagtem Hotel auf eine, zugebenermassen nicht allzu schwere Probe gestellt. Der Tisch war bereits reichhaltig gedeckt, doch die Kellnerin kam immer wieder, um neue Teller und Schüsselchen hinzustellen. Das Menü:

  • Muscheln, mit Butter und Sake gedünstet
  • Räucherlachs
  • Junge Sardinen, in Seetang gerollt
  • Gesalzene Tintenfischinnereien
  • Sashimi (roher Fisch) aus Bernsteinmakrele, Bonito und Brasse
  • Zwei Riesenstücke gekochten Bonitos nach Teriyaki-Art
  • Sautierter Nagebarsch (2 Stück)
  • Zwei frittierte, junge Kugelfische
  • Zwei Stück gegrillter Fisch (Art unbekannt)
  • Thunfischpaste in Algenpapier gerollt
  • Rohe Shrimps
  • Shrimps mit Gemüse in Gelee
  • Erdnusstofu mit Lachsrogen
  • Miso-Suppe mit Makrele

und noch ein paar Sachen mehr. Ein Fischfestival quasi. Ich hoffe, die Fischer der Region hatten in den nächsten Tagen noch etwas zu essen übrig. Wie viel Fisch ein Mensch verträgt? Nun, eine ganze Menge. Mein Bedarf an Fisch ist aber erstmal für die nächsten zwei, drei Tage gedeckt – danach geht es wieder munter weiter…. so ein freundliches Heringsfilet in Apfel-Sahne-Sauce wäre auch mal wieder was Feines.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

10 Kommentare

  1. gut zubereiteter Fisch toppt für mich gut zubereitetes Fleisch. Allerdings kriegt man – für meinen subjektiven Geschmack – gut zubereiteten Fisch nicht oft, selbst spezialisierte Fischrestaurants bleiben leider oft hinter den Erwartungen zurück.

  2. Hallo,
    jepp, Fisch a la Bordelaise gibts noch, und vermutlich ist es auch noch diselbe Portion ;-). Roher Fisch, in Form von Sushi, ist zwar lecker, aber ich glaube bei grösseren Mengen würde ich denn streiken.
    Die beiden Kugelfische wahren jetzt aber nicht Fugu oder?

    • Die beiden Kugelfische waren Fugu. Es gibt allerdings die berühmten giftigen, aber auch ungiftige Sorten! Die ungiftigen Sorten dürfen ganz normal, ohne Sondergenehmigung, zubereitet werden.

      • Hallo,
        das wusste ich nicht, ich ging davon aus das alle Kugelfische giftig sind, oder das Fugu eben eine bestimmte Art meint. Naja wieder was gelernt, dann kann ich bei meiner nächsten Japanreise ja mal den ungiftigen testen, und dann zuhause, vor ebenfalls Unwissenden, erzählen das ich Fugu gegessen habe :-D

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