BlogTokyo ist ein Dorf

Tokyo ist ein Dorf

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Sonntag. Wir haben uns mit unserer slowakischen Bekannten verabredet. Seit neun Jahren lebt sie hier, ist verheiratet mit einem Japaner und hat eine 20 Monate alte Tochter. Sowohl sie als auch ihr Mann sind sehr angenehme Zeitgenossen. Am Telefon sagte sie heute etwas von Grillen und vor dem Haus treffen. Also laufen wir die 300 m zu ihr. Zwei 2-stöckige, kleine Apartmenthäuser aus Holz. Keine teure Gegend. Zwischen den Häusern haben sich die ca. 15 Bewohner dieser beiden Blocks versammelt und grillen.
Wir sind zum ersten Mal dabei. Natürlich sofort im Mittelpunkt unsere 8 Monate alte Tochter. Eine Frau, so 60 Jahre alt vielleicht, strahlt uns freudig an – allerdings fehlen alle Zähne auf der linken Seite. Das Alter der Leute reicht von 4 Monate bis 65 Jahre. Und es geht herzlich zu. Hier spricht man keine Höflichkeitssprache. Hier wird kein Blatt vor dem Mund genommen. Es ist immer wieder angenehm, zu sehen, dass auch Japaner nur Menschen sind – bei weitem nicht alle sind in diese komplizierte Welt voller Umgangsformen, Respektsbekundungen, vorsichtigem Abtasten usw. eingebunden. Unsere Tochter wird erstmal herumgereicht, aber so viele Leute auf ein Mal hat sie nur selten gesehen, und quittiert die ganze Aufregung mit ordentlichen Schreikrämpfen. Ansonsten gab es keine weiteren Verletzten – es gab Bier, gegrilltes Fleisch und natürlich Sanma (siehe “Wort des Tages”).
Ach ja, die Verbindung zum Titel dieses Artikels. Japaner sagen oftmals, “Tokyo ist ein Dorf”. Das bezieht sich ganz offensichtlich nicht auf die Grösse, sondern darauf, dass ein sehr grosser Teil der Leute, die in oder um Tokyo herum wohnen, nicht aus Tokyo stammen, sondern vom Land. So war es auch heute – von Okinawa bis Aomori war alles vertreten. Und der Zusammenhalt zwischen diesen Leuten ist auch in Japan wesentlich grösser als unter Städtern.
Nachmittags mit mehr oder weniger fremden Leuten herumsitzen, Stuss erzählen, grillen, Bier trinken – ich hatte es vermisst.
Das Wort des Tages: 秋刀魚Sanma. Den Zeichen nach “Herbst – Klinge – Fisch”. Auf Deutsch “Makrele”.
Ist der Fisch schlechthin in Japan für die Herbstsaison. Wird oftmals im Ganzen gegrillt und dann mit zerriebenem Rettich und Sojasauce gegessen. Sehr einfach und schmackhaft.

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tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Super das nenne ich eine gelungen Tag! Werde mir ganz sicher recht bald einen Grill kaufen. Den Platz zum Feiern haben wir ja schon. Ich werde mich melden. Auf bald. E.

  2. Das klingt wirklich einladend und läßt einen hoffen. Als Deutsche, die leider nicht in Japan leben kann, hört man meistens die Schreckgeschichten der Leute, die vor lauter Kulturschock weder ein – noch aus wussten.

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