Neulich bin ich beim Stöbern auf diesen Beitrag des Weltspiegels gestossen – hier geht es um die Schulspeisung in Japan, und die ist in der Tat einen kleinen Artikel wert. Wenn ich an Schulspeisung denke, erinnere ich mich persönlich an eine furchtbare Graupensuppe, an Kartoffeln mit Rahmspinat und Spiegelei (das war immer mein Diättag, denn an Rahmspinat und Spiegelei komme ich mein Lebtag nicht ran) oder an Milchreis, in dem ich mal als Stift eine ölige Schraube fand. Ach ja, und an dünne, gekochte Rindfleischscheiben, die man auch problemlos als Schuhsohlen hätte verwenden können (Moment… oder war es andersrum?).
In Japan scheint das offensichtlich anders zu sein, denn meine Kinder schwärmen vom Schulessen, und wir wurden manchmal den Eindruck nicht los, dass die Kinder hauptsächlich des Essens wegen in die Schule turnen. Dazu sollte ich allerdings anmerken, dass die Grundschule meiner Kinder für ihr Essen in der gesamten Stadt (mit 1.5 Millionen Einwohnern) “berühmt” ist – sie gilt als die Schule mit dem besten Essen.
Schulessen, genannt 給食 kyūshoku, was sich aus “bereitstellen” und “Essen” zusammensetzt, gibt es ab dem Kindergarten, danach in der Grundschule und dann auch noch in der Mittelschule, also bis zum 15. Lebensjahr. In den Oberschulen gibt es in der Regel kein Schulessen mehr – das müssen sich die Kinder dann selber mitbringen, und das geschieht oft in Form der berühmten Bento-Menüs. Schulessen gibt es nicht an jedem Tag – gibt es an dem Tag nur 4 oder weniger Unterrichtsstunden, essen die Kinder zu Hause. “Bereitstellen” ist dabei aber nicht die ganze Wahrheit — das Essen wird zwar gestellt, aber die Eltern bezahlen dafür im Schnitt rund 40 Euro oder mehr pro Monat.
Der “Grund” für das Schulessen ist ganz profan: Keiner soll etwas von zu Hause mitbringen müssen – stattdessen sollen alle Kinder die gleiche, gesunde Ernährungsgrundlage bekommen. Und dafür gibt es natürlich Richtlinien vom MEXT, dem japanischen Bildungsministerium.
6-7 Jahre | 8-9 Jahre | 10-11 Jahre | 12-14 Jahre | |
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Energie | 560kcal | 660kcal | 770kcal | 850kcal |
Eiweiß | 16g (10g – 25g | 20g (13g – 28g) | 25g (17g – 30g) | 28g (19g – 35g) |
Fett | ||||
Salz | unter 2g | unter 2.5g | unter 3g | unter 3g |
Calcium | 300mg – 320mg | 350mg – 380mg | 400mg – 480mg | 420mg – 470mg |
Eisen | 3mg | 3mg | 4mg | 4mg |
Vitamin A | 130μg (130μg – 390μg) | 140μg (140μg – 420μg) | 170μg (170μg – 510μg) | 210μg (210μg – 630μg) |
Vitamin B1 | 0.4mg | 0.4mg | 0.5mg | 0.6mg |
Vitamin B2 | 0.4mg | 0.5mg | 0.5mg | 0.6mg |
Vitamin C | 20mg | 23mg | 26mg | 33mg |
Ballaststoffe | 5.5g | 6.0g | 6.5g | 7.5g |
Quelle: Schulspeisungsrichtlinien des japanischen Bildungsministeriums, siehe hier.
Das Mittagessen wird in manchen Schulen selbst zubereitet – aber es gibt natürlich auch viele Fälle, in denen das Schulessen aus einem “Schulessencenter” kommt, das die umliegenden Schulen beliefert. Eingenommen wird das Essen in der Regel im Klassenzimmer, mit der Besonderheit, dass die Kinder nicht nur dafür zuständig sind, ihre Schule sauberzumachen – auch das Austeilen des Schulessens wird im Rotationsprinzip von den Kindern selbst durchgeführt (当番 tōban genannt). Dafür gibt es aus Hygienegründen eine spezielle Kleidung, die dann von den Eltern vor der jeweiligen Schicht zu Hause gewaschen und gebügelt werden muss.
Die Schulspeisung reflektiert bereits viele Besonderheiten der japanischen Essenskultur:
- Es gib nicht nur ein Gericht, sondern oft zwei bis drei, kleinere Speisen
- Man legt viel Wert auf 旬 (shun) – saisonale Zutaten
- Es gibt sehr viel Gemüse
- Man arbeitet weniger mit Fett, dafür mehr mit “Umami”
Als Kohlenhydratspender benutzt man Reis, Brot oder Nudeln – und das in einem Rotationsprinzip, der die Schulspeisen nicht langweilig werden lässt. Zum Schulessen gibt es in der Regel, aber das ist natürlich keine japanische Besonderheit, Milch.
Im Weltspiegel-Beitrag wird erwähnt, wie die Kinder an einem Tag aufs Feld ziehen, um dort Gemüse zu ernten. Das ist in der Tat durchaus üblich, und zwar nicht nur an Grundschulen, sondern auch an Kindergärten. Da geht es oftmals nicht nur ums Pflücken, sondern auch um das Anbauen. Besonders gern werden Japanische Rettiche und diverse Kartoffelarten angebaut, die die Kinder dann auch durchaus manchmal mit nach Hause nehmen können.
Wie oben bereits erwähnt legt man beim Essen mehr Wert auf “Umami”, den 5. Geschmackssinn, statt auf Fett, und dazu gab es einmal eine interessante Fernsehsendung – leider ist die zu lange her, um eine Referenz zu finden. In der Sendung liess man Kinder verschiedener Altersgruppen fettige Speisen und solche mit viel Umami essen – danach sollten sich die Kinder um das Gericht scharen, dass sie bevorzugen würden. Das Ergebnis war durchaus interessant und relativ eindeutig – bis zum Alter von circa 10 Jahren scharten sich die meisten Kinder um das Umami-Gericht, danach tendierten viele zu fettigerem Essen.
Geschmacksvorlieben bilden sich da schon offensichtlich sehr frühzeitig, weshalb nicht jeder mit der japanischen Küche sofort klar kommt, denn die setzt weniger auf Fett sondern mehr auf Umami – nicht wenige Japanbesucher empfinden japanisches Essen deshalb als relativ geschmacksarm. Allerdings weiss man nach ein paar Jahren den Unterschied zu schätzen – außerdem mangelt es auch in Japan definitiv nicht an sehr geschmacksintensiven Speisen – erwähnt sei da nur die obligatorische 梅干し umeboshi (getrocknete Pflaumen), die extrem salzig und sauer zugleich sind. Viel mehr dazu und zu Japanischem Essen siehe hier.
Danke für den interessanten Einblick vorallem in den monatlichen Essensplan und die Speisungsrichtlinien. Persönlich finde ich es gut, dass die Kinder ausgewogen ernährt werden und alle gemeinsam Essen. Und dann auch noch so leckere Sachen, da kann ich deine Kinder verstehen, wenn sie gern wegen des Essens in die Schule gehen!
Das erinnert mich daran, wie ich mit meiner Sprachschulklasse in Japan einen Tag in der ersten Klasse einer Junior-Highschool in Sapporo verbracht habe. Da war die Schulspeisung auch ein sehr besonderes Erlebnis und ein klarer Gegensatz meiner Schulzeit.
Berichte über Kantinenessen aus Japan findet man zwar regelmäßig, aber die Sichtweise der Eltern darauf ist einzigartig! Danke dafür.
Natürlich liegt dem Ganzen eine besondere Esskultur zu Grunde (wobei ich das Kantinenessen der japanischen Privat-Uni nicht so spektakulär fand). Es stellt sich daher weiterhin die Frage, warum die Ministeriumsvorgaben (die vermutlich auch in Deutschland existieren) in Japan kreativ und hochwertig umgesetzt werden.
Haben die Schulen also selbst alle Freiheit, die Vorgaben umzusetzen?
[Rotationsprinzip, Aussehen, Zutaten…?]
Hallo,
schaut tatsächlich recht lecker aus, wobei ich da keine eigenen Erfahrungen habe, in keiner Schule auf der ich war gabs Schulspeisung. Wobei ich das Konzept gut finde, die Kinder lernen richtige und gute Ernährung und Mitarbeit in der Schule finde ich sowieso ne tolle Idee, auch das Saubermachen.
Wenn sie dann noch Anbauen und Ernten lernen ist das natürlich noch besser.
Naja, das sieht zumindest besser aus als das, was wir auch heute wieder vorgesetzt bekamen. Schade, dass ich kein Bildchen hochladen kann. Es liegt also wirklich an denen, die das Essen zubereiten, entweder liebevoll oder nach dem Motto: Vogel friss, oder stirb!