BlogPosse um radioaktiv verseuchtes Wasser aus Fukushima

Posse um radioaktiv verseuchtes Wasser aus Fukushima

-

Es wäre beinahe zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre: Die Diskussion darüber, was mit dem radioaktiv verseuchten Wasser des havarierten AKW in Fukushima geschehen soll. Noch immer müssen die inneren Bereiche permanent mit Wasser gekühlt werden, und noch immer wird das Kühlwasser bei dem Prozess radioaktiv verseucht, weshalb es momentan in zahllosen Tanks rund um das AKW gelagert wird. Momentan sind das grob geschätzt 1 Million Kubikmeter (oder eben Tonnen) oder bildlich gesprochen, so viel Wasser, wie in Hamburg in knapp einer halben Stunde durch die Elbe fliesst. Eine ganze Menge also. Das Wasser ist dabei hauptsächlich mit 3H, bekannt unter den Namen Tritium oder auch superschwerer Wasserstoff, kontaminiert – ein Betastrahler mit einer Halbwertszeit von gut 12 Jahren.
Der AKW-Betreiber TEPCO schätzt, dass man noch genügend Platz für die kommenden drei Jahre hat, weshalb man sich berechtigterweise jetzt schon Gedanken darüber macht, wo das Wasser hin soll. Der vorherige Umweltminister Harada schlug vor, das Wasser ganz einfach in den Pazifik abzulassen, und bezog dafür ordentlich Schelte von den ohnehin gebeutelten Fischern der Präfektur. Als nächstes kam jemand auf die Schnapsidee, das Wasser in die Bucht von Osaka abzulassen. Eine Wahnsinnsidee deshalb, weil die Gegend rund um Osaka sehr dicht besiedelt ist, und weil man das Wasser erstmal rund 700 km weit bis dorthin transportieren müsste.
Matsui, der Bürgermeister von Osaka, bemerkte heute dazu nun, dass sich die Stadt (bzw. Präfektur) durchaus aus Solidarität zu Fukushima zu der Aktion bereit erklären könnte, so vorher wissenschaftlich nachgewiesen werden könne, dass das Wasser keine gesundheitlichen Schäden für Menschen verursachen würde.
Das klingt alles sehr seltsam. Und zwar deshalb, weil man weniger vor der Radioaktivität als vor 風評 fūhyō Angst hat. Fuhyo setzt sich aus “Wind” und “Bewertung” zusammen und bedeutet von der Sache her “Gerücht”. Wenn also das Gerücht die Runde macht, dass Produkte aus Fukushima kontaminiert sein könnten, würden die Kunden nichts mehr von dort kaufen, ob an der Sache nun was dran ist oder nicht. Das ist natürlich nicht nur in Japan so. Ob allein der Glaube daran, dass das tritiumverseuchte Wasser wirklich Null Schäden verursachen wird, die Sache völlig unbedenklich machen wird steht auf einem anderen Blatt. Es klingt jedenfalls nach schlichtem Wahnsinn, das Wasser weit weg zu transportieren – und es direkt vor einem Ballungsgebiet mit über 10 Millionen Menschen in eine Bucht zu kippen, die durch Meeresengen auf beiden Seiten beengt ist.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. Ja, als ich das von Matsui gelesen habe, war ich auch ein wenig verwundert.
    Ich frage mich, ob da im Hintergrund irgendwelche politischen Händel, Korruption, Yakuza etc. laufen …
    Ein Bürgermeister, der radioaktiven Abfall in seine Stadt holt, dürfte jedenfalls keine lange Halbwertszeit haben …

  2. Irgendwo muss es nun mal hin. Und alle Optionen müssen auf den Tisch. Hilft alles nichts. Man hat genau noch drei Jahre Zeit, um eine bessere Alternative als Ablassen in den Pazifik zu finden. Ansonsten wird es früher oder später auf dem Festland versickern.

  3. Verdeutlich wieder einmal die Ratlosigkeit ob des Umgangs mit radioaktiven Abfällen. Damit steht Japan aber nicht allein, siehe die Asse II in Deutschland. Immerhin haben die Japaner für das Wasser einen absehbaren Zeit Horizont und müssen “nur” für ausreichende Lagerkapazitäten sorgen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Neueste Beiträge

Izu-Oshima – eine Mustervulkaninsel direkt vor der Bucht von Tokyo

Die Insel Oshima liegt nur 120 Kilometer entfernt vom Zentrum von Tokyo, ist aber so ländlich wie nur möglich. Ein echter Geheimtipp.

Universitätsaufnahmeprüfungen

Am Anfang jeden Jahres herrscht in vielen japanischen Familien mit 17 bis 18-jährigen Kindern Ausnahmezustand: Knapp 60% der Sprößlinge...

Wie viele Deutsche gibt es eigentlich in Japan?

Jüngst geisterte ein Artikel über die Ein- und Auswanderung von Deutschen nach Japan durch die DinJ (Deutsche in Japan)-Mailingliste....

Neujahr: Normaler Modus und Trauermodus

Ein Gesundes Neues Jahr darf ich der japanischen Tradition folgend eigentlich gar nicht wünschen, denn meine Familie befindet sich...

Abgesang: Das war 2024

Wie jedes Jahr gibt es den traditionellen, persönlichen Jahresrückblick. Das war also, aus Sicht von Tabibito, das Jahr 2024: Politik———— Da...

Oshima oder Volles Japan, leeres Japan

Es ist kein neues Thema, aber der Kontrast in Sachen Besucherströme in Japan erstaunt mich doch immer wieder aufs...

Must read

Die 10 beliebtesten Reiseziele in Japan

Im Mai 2017 erfolgte auf dem Japan-Blog dieser Webseite...

Auch lesenswertRELATED
Recommended to you