Der Weltklimarat hat ihn erhalten. Die EU auch. Im vergangenen Jahr war es die Organisation für das Verbot chemischer Waffen: Den Friedensnobelpreis. Jener wird als Auszeichnung für besondere Verdienste in der Friedensarbeit verliehen, und bekanntermassen müssen das nicht unbedingt Personen sein.
Japan hat seit 1946 eine in der Welt recht ungewöhnliche Verfassung. Zusammen mit den Amerikanern arbeitete man eine Verfassung mit Pazifismusklausel aus. Von den Kritikern wird hindes betont, dass eben diese Verfassung von den Siegern aufoktroyiert wurde und nicht dem japanischen Geist entspricht. In erster Linie geht es um Kapitel 2, Artikel 9:
1. In aufrichtigem Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten.
2. Um das Ziel des vorhergehenden Absatzes zu erreichen, werden keine Land-, See- und Luftstreitkräfte oder sonstige Kriegsmittel unterhalten. Ein Recht des Staates zur Kriegsführung wird nicht anerkannt.
Nun ist dieser Artikel wie überall in der Juristerei Auslegungssache, denn zwar werden Streitkräfte explizit verboten — aber Japan verfügt seit geraumer Zeit über eine technisch gut ausgerüstete Armee, die sich freilich so nicht nennen darf, und deshalb “Selbstverteidigungsstreitkräfte” genannt wird.
Nun gibt es seit geraumer Zeit Bestrebungen seitens der Politik, den Artikel 9 zu ändern. Und man ist diesem Unterfangen näher denn je, denn die jetzige Regierung hat die Oberhand in beiden Parlamenten und ist definitiv dem rechten Lager zugeneigt beziehungsweise zugehörig. Aus dieser Situation heraus wurde die Idee geboren, Artikel 9 der japanischen Verfassung für den Friedensnobelpreis zu nominieren. Warum auch nicht — es ist schon beachtlich, dass diese Verfassung gerade in Ostasien nun schon fast 70 Jahre bestand hat. Und ich stelle mir nichts Genüßlicheres vor, als dem jetzigen Ministerpräsidenten Shinzō Abe dabei zuzusehen, wie er mit süßsaurem Lächeln in Stockholm den Friedensnobelpreis entgegennimmt. Eine Änderung des Artikels wäre danach freilich noch immer möglich — aber gewiss der Bevölkerung schwerer zu vermitteln.
Allzu viel Hoffnung mache ich mir nicht: Dieses Jahr gab es 278 Vorschläge für Friedensnobelpreiskandidaten. Im März wurden daraus eine Anzahl von Vorschlägen herausgesiebt für die “nächste Runde”. Darunter auch Artikel 9 der japanischen Verfassung. Jetzt muss sich dieser Vorschlag bis Oktober gegen andere Kandidaten behaupten – so zum Beispiel gegen Papst Franziskus, Edward Snowden, die Bewohner von Lampedusa und… hört, hört! Wladimir Putin. Aber die Idee ist es trotz allem wert, verfolgt zu werden, und so folge ich gern dem Aufruf eines guten Geschäftsfreundes, die Kunde der Nominierung zu verbreiten.
Wer mehr darüber wissen will – oder gar die Sache unterstützen will, kann das gern bei Change.org tun: Siehe hier. Momentan sind es knapp 30,000 Unterstützer, das Ziel sind 100,000.
“Eine Änderung des Artikels wäre danach freilich noch immer möglich – aber gewiss der Bevölkerung schwerer zu vermitteln.”
Naja, ein gewisser Barack Hussein Obama II hatte auch nicht nach dem Preis gerufen und war sichtlich von der Bürde dieses Preises wenig begeistert. Was daraus geworden ist, sieht man. Wobei hier mit Sicherheit auch andere Zwänge eine Rolle. Gleiches kann bestimmt auch Herr Abe vorweisen, um Änderungen an der militärischen Ausrichtung Japans zu begründen.
Schade, eigentlich!
Und am Ende bleibt nur eine Abwertung des Preises. So verlockend die Verwendung als Druckmittel auch ist, man sollte hier der bewährten Praxis bei den wissenschaftlichen Nobelpreisen folgen.