In Berlin wäre das ganz sicher nicht passiert: Obwohl man noch mehr als ein halbes Jahr Zeit hat bis zur Eröffnung der Olympischen Sommerspiele, wurde gestern das nagelneue 新国立競技場 Shinkokuritsu Kyōgijō (wörtlich: “Neuer Staatlicher Wettkampfort) – das Haupt-Olympiastadion, in dem unter anderem die Eröffnungs- und Abschiedszeremonie, sowie die wichtigsten Leichtathletikwettkämpfe und Fußballbegegnungen stattfinden werden – fertiggestellt. Ganz ohne Probleme war das Bauwerk allerdings nicht, denn eigentlich sollte nach den Plänen der renommierten, jedoch 2016 verstorbenen Stararchitektin Zaha Hamid gebaut werden, doch 2015 stellte man dann fest, dass allein dieses Stadion fast das gesamte Budget verschlingen würde (2015 berichtete ich darüber in diesem Artikel). Es ging zurück ans Reißbrett, und das Ergebnis ist ein Stadion, das zwar weniger spektakulär aussieht als der erste Entwurf, dafür aber auch nur rund 1.2 Milliarden (vorheriger Kostenvoranschlag: 2 Milliarden) Euro kostete. Doch obwohl man auf halber Strecke die Reißleine gezogen hat, ist der Bau noch immer verhältnismässig teuer – pro Besucherplatz wurden schliesslich fast 60,000 Euro ausgegeben – weit mehr als bei den Spielen in London, Rio oder Peking.
Bis zu 68,000 Besucher passen in das Stadion, das mitten in Tokyo, im Dreieck zwischen Shinjuku, Shibuya und Kaiserpalast, liegt. Zwei Dinge sind an dem neuen Stadion besonders erwähnenswert: Zum einen wurde beim Bau sehr viel Holz verwendet — und zwar ausschliesslich aus heimischer Produktion. So wurde darauf geachtet, dass man Holz aus allen 47 Präfekturen Japans verwendet. Eine zweite Besonderheit sind die Zuschauersitze – im Mosaikverfahren und nach dem Zufallsprinzip haben die Sitzschalen verschiedene Farben. Dadurch sieht das Stadion selbst leer so aus, als ob es voll ist. Das hat nichts damit zu tun, dass man Angst davor hat, während der Sommerspiele nicht alle Plätze loszuwerden – man kann getrost davon ausgehen, dass so gut wie alle Veranstaltungen ausverkauft sind. Aber das Stadion soll ja auch vor und nach den Spielen genutzt werden. Prinzipiell ist diese Idee als solche deshalb einfach genial und mal was anderes.
Photo von 江戸村のとくぞう Edomura-no-Tokuzō via Wikipedia, siehe hier