Das japanische Eisenbahnsystem ist weltweit bekannt für seine außerordentliche Pünktlichkeit (und für oftmals brechend volle Bahnen). Doch ist dem wirklich so? Wer jeden Tag zur Stoßzeit Züge im Raum Tokyo benutzt, mag sich darüber durchaus wundern. So fahre ich zum Beispiel tagtäglich mit der privaten Den’entoshi-Linie (sowie eine Station mit der Yamanote-Linie). Und zwar, zumindest morgens, immer zur gleichen Zeit. Ergo müsste ich jeden Tag zur gleichen Zeit ankommen – dem ist allerdings nicht so, obwohl die eigentliche Fahrtzeit nur 22 Minuten beträgt. Das merkwürdige an der Sache ist, dass ich zwar fast ausnahmslos exakt auf die Minute abfahre – im Schnitt aber etwa zwei Mal pro Woche später als üblich ankomme. Meistens beträgt die Verspätung nur ein paar Minuten; rund ein Mal pro Woche ist sie jedoch länger – mitunter hilft da nur, eine andere Route zu benutzen.
Das Transportministerium von Japan hat nun erstmals eine Studie veröffentlicht¹, in der die Pünktlichkeit der Züge in Tokyo (und 50km Umland) genau untersuchte. So stellte man fest, dass die Chuo-Linie, betrieben von der ehemals staatlichen JR East (für die älteren Semester: kokutetsu) Spitzenreiter ist: An 19 Werktagen im Monat gab es mindestens eine Verspätung. Knapp die Hälfte der unter 10-minütigen Verspätungen wurden durch Passagiere verursacht, die trotz Abfahrtssignals versuchten, einzusteigen. In 16% der Fälle waren Türen, die noch einmal geöffnet werden mussten (da etwas rausragte), die Ursache – und in rund 10% der Fälle waren es Passagiere, die wegen Unpässlichkeit geborgen werden mussten. Berufspendler erleben an den meisten Tagen alle drei Ursachen – vorweg das berühmte 駆け込み乗車 kakekomijōsha, das “auf den Zug aufspringen”.
Einige Bahnlinien bekämpfen das Problem mit langfristigen Strategien – die Odakyu-Linie ist zum Beispiel seit Jahren dabei (und kurz vor Abschluss), die Trasse vierspurig auszubauen, so dass die schnelleren Züge die langsamen überholen können. Ausserdem wird ein großer Teil der Strecke unter die Erde verlegt. Bei der Den’entoshi-Linie hat man zwar letzteres erledigt, aber der Ausbau in eine viergleisige Trasse ist Zukunftsmusik – es gibt kein Platz zum Ausbau.
Bei den längeren Verspätungen, die bis zu einem halben Tag dauern, sind Waggon- oder Trassenschäden, Schwelbrände in Tunneln, Selbstmorde, Taifune und Erdbeben die Hauptursachen.
Die Erkenntnisse der Studie sind zwar keine wirkliche Überraschung, und sie entmystifizieren die japanischen Bahnen auch nicht. Würde man die Statistiken anders angehen – zum Beispiel durchschnittliche Verspätung pro Passagierkilometer, würde Japan mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weltweit den Spitzenplatz einnehmen.
Die Studie zeigt zudem, dass sich die Situation in den letzten 40 Jahren dramatisch entspannt hat: Lag die Auslastung der Züge auf den wichtigsten Linien der Hauptstadt vor 40 Jahren noch bei 220%, so hat sie sich jezt bei rund 165% eingependelt.
¹ Die Studie kann hier heruntergeladen werden (PDF, Japanisch)
Die Tozai-Linie hat fast jeden Tag leichte Verspätung, selbst am ersten Halt in Nakano, und außerhalb der Berufsverkehrszeit.
Außerdem habe ich das Gefühl, dass die Japaner mehr als früher nicht mehr auf die Regeln rund ums Bahnfahren achten – es wird sich nicht mehr genau angestellt, sondern reingedrängt, Handys piepen lautstark, manche Leute telefonieren…
Auf die Tozai musste ich früher öfter ausweichen, da die Keiyō-Linie bei jeder leichten Brise den Betrieb einstellte…
Oh je… Vielleicht fährt sie ja unterirdisch zuverlässiger als den letzten Rest bis Nakano überirdisch.
Ich bin knapp zwei Jahre mit der Sobu-sen gependelt.
Verspätung bis fünf Minuten ist am Morgen keine Verpätung, da konstant.
Verspätung bis 10 Minuten gab es etwa zwei Mal im Monat.
Verspätung über 10 Minuten war sehr selten und trat meistens im April auf (neues Schuljahr etc.).
Im April musste ich dann immer eine Bahn früher nehmen, um sicherzu sein,war aber trotzdem meist 1 – 2 mal zu spät auf Arbeit.