Meine Firma ist auf importierte Lehrmaterialien spezialisiert – und dort hauptsächlich auf Englischlehrbücher. Davon gibt es bekanntlich reichlich, und es gibt hervorragende Unterrichtsmaterialien. Da sollte man eigentlich meinen, dass die sich in Japan, dem Land des “Lebenslangen Lernens” und der ständigen Sehnsucht nach dem Ausland, dem gegenüberstehend jedoch eher mauen Englischkenntnissen, verkaufen sollten wie warme Semmeln. Dem ist jedoch nicht so. Zwar wird an vielen Universitäten, sowie an so manchen Schulen und Kindergärten, auf importiertes, “English only”-Material zurückgegriffen, erst recht, wenn der Lehrer aus dem Ausland stammt, kaum Japanisch spricht und die Materialienauswahl mitbestimmen darf, doch in der breiten Mehrheit der Bevölkerung spielen ausländische Lehrbücher keine Rolle.
Das ist auch kein Wunder, wie ich am Wochenende mal wieder feststellen konnte. Da zog es uns in eine riesengroße Buchhandlung in unserer Nähe. Der Verkaufsraum befindet sich lediglich auf einer Etage, aber die Buchhandlung ist knapp 100 mal 100 Meter groß, also fast einen ganzen Hektar, und zwar voller dicht an dicht gestellter Regale. Logischerweise suchte ich erstmal nach importierten Büchern, um zu sehen, wie meine Kundschaft hier vertreten ist. Nach gefühlten Kilometern Regalslalo gab ich jedoch genervt auf und fragte eine Angestellte. Die setzte auch gleich ein mitleidiges Gesicht auf und sagte, dass Importbücher ihre Stärke nicht seien, und führte mich dann in die allerhinterste Ecke, wo es tatsächlich ein einzelnes, knapp ein Meter breites Regal mit importierten Büchern gab. Genau in der Mitte war der spannende Wälzer “The Glory of Batik” präsentiert, ganz sicher ein absoluter Bestseller. Wer jedoch nach Lehrmaterialien suchte, musste sich bücken. Und sieh mal einer an: Die meisten Bücher sind schon seit Jahren aus dem Druck, völlig vergilbt, zerfleddert und mit massiven Eselsohren versehen. Dort, nahe am Boden, prangte ein Cover eines Picture Dictionary, dessen Verleger seit Erscheinen des Buches schon mehrfach das Layout und den Namen geändert hat. Schlägt man das Buch auf, prangt einem als erstes das Foto eines Rechners vom Anfang der 90er ins Auge: “This is a computer”. Fantastisch.
Wer Lerninteressierten solche Bücher in so einem Zustand präsentiert, muss sich nicht wundern, wenn er nichts verkauft. Schuld ist da noch nicht einmal unbedingt der Buchladen, sondern eher die Vertriebsfirma – eine japanische Firma, die ein Beinahemonopol auf viele Importbücher hat, und die offensichtlich zulassen, dass die Ware so präsentiert wird. Demgegenüber gab es natürlich unzählige Regalmeter mit japanischen Büchern darüber, wie man all die Englischtests austricksen kann, ohne Englisch zu können. Typisch Japan. Der Verdacht, dass der Großteil der Japaner nicht daran interessiert ist, Englisch zu lernen, sondern das ganze nur als notwendiges Übel betrachtet, hat sich in dieser Buchhandlung mal wieder erhärtet. Was heißt erhärtet – ich weiß das seit langem.
Ansonsten war es aber wohltuend, zu sehen, wie voll der Laden war, denn das Bücherlädensterben in Japan nimmt immer dramatischere Züge an – mehr als ein Drittel ist bereits verschwunden, und es gibt erste Städte ohne einen einzigen Buchladen.
Hallo,
stimmt schon, die Englischkenntnisse des Japaners in der freien Wildbahn sind eher durchwachsen. Ich erinnere mich an ein Ehepaar mittleren Alters das in Kyoto fragte woher ich denn käme, nachdem ich dreimal, sehr deutlich, Germany gesagt hatte, kam ein “Ohh Kanada”. wobei das natürlich der Ausnahmefall war, gewöhnlich haben mich die Leute, wenn auch teilweise nach mehrfachen wiederhohlen zumindest sinngemäß verstanden, oder jemanden angetippt der mich vielleicht verstehen würde :-), aber gutes English ist anders.
Auf der anderen Seite, wozu sollen sie es lernen? Der durchschnittliche Japaner, hat allenfalls nach der Highshool, während des Studiums oder im Rentenalter Zeit eine längere Reise zu machen, wenn er es sich denn überhaupt leisten kann, und das sind dann meist geführte “Europa in zwei Wochen” Reisen.
Ausserdem weiß doch jeder Japaner das es im Ausland nie so gut sein kann wie in Japan, nur seltsame Leute mit unzureichender Körperhygiene , die laut sind, und zu Essen bekommt man auch nix gescheites, wozu sollte man dahin Reisen, und sich auch noch die Mühe machen die seltsame Sprache zu lernen, wo doch jeder weiß das Japanisch eigentlich von jedem gesprochen werden sollte.
Wenn du aber über das Bücherlädensterben redest, solltest du mal nach Deutschland schauen. An größeren Buchläden (zumindest in NRW), gibt es praktisch nur noch die Mayersche. Dann vielleicht noch Thalia, aber das ist mittlerweile mehr Deko- und „Non-Book“-Laden als Buchladen. Sonst ist mir nicht bekannt, dass es noch groß andere Buchläden gibt.
Vielleicht gibt es mal einen kleinen Kleinstadt-Buchladen, aber dort finden sich im Normalfall nur viele Krimis und einige einfachen Romane, aber nichts, was man groß als umfangreiche Literatur bezeichnen kann.
Da finde ich die japanischen Buchläden immer unglaublich ansprechend. Selbst in „kleineren“ Orten (100.000-150.000 Einwohner) habe ich mehrere Buchläden gefunden, die auch tatsächlich eine gute Auswahl hatten. Gut, englische Bücher gab es da auch nur als Alibi, aber das findet man in deutschen Buchhandlungen auch nur begrenzt.
Ich bin zu lange in Japan und nicht oft genug in Deutschland, um qualifizierte Vergleiche anzustellen, aber ich gehe mal davon aus, dass das Bücherlädensterben ein globales Phänomen ist.
Ich weiss nicht, auf welches Jahr Deine Beobachtungen in Japan zurückgehen, aber momentan wird es wirklich dramatisch. Erst im Januar diesen Jahres haben zum Beispiel gleich alle beiden Buchläden in Shin’yurigaoka dichtgemacht – einem Bahnhof in meiner Nähe, in dem jeden Tag 125’000 Menschen ein- oder aussteigen, mit zahlreichen Kaufhäusern und Restaurants. Und jetzt eben ohne einen einzigen Buchladen.
Sogar ein Buchladen an der Waseda Uni ist einem Family Mart gewichen. Wobei in Berlin auch ganz viele Buchläden verschwunden sind. Ich bin da nicht unschuldig, denn ich kaufe fast nur noch eBooks, da ich einfach zu oft umziehe und der Kindle nun mal leichter ist.
Ich war Anfang 2016 das letzte Mal in Japan. In den Vororten von Nagoya waren aber „meine” bekannten Buchläden alle noch da (紀伊國屋 und einige lokalere Läden).
Ich bestreite nicht, dass natürlich auch die kleinen Buchläden in Japan sterben. Aber wenn man das mit Deutschland vergleicht – es gibt hier oft in Städten >300.000 Einwohner oft nur einen einzigen Buchladen, den man auch wirklich als Buchladen bezeichnen kann – d.h. mit einer umfangreichen Auswahl in mehreren Themengebieten und auch mal Bücher, die nicht nur ganz Mainstream sind. Dann findet man vielleicht noch sehr spezialisierte Läden (christlicher Buchläden o.ä.), aber diese Buchläden, wo man einfach hingehen kann und recht querbeet alles irgendwie findet, gibt es außer der Mayerschen (und sehr begrenzt der Thalia) gar nicht mehr. Da hatte ich in Japan bessere Auswahl in kleineren Städten.
Das sind natürlich Beobachtungen im Speckgürtel einer Metropolregion, aber in Deutschland ist mein Vergleich eben aus der Rhein-Ruhr-Region, welche auch nicht so klein ist…
Vielleicht eine regionale Besonderheit? Ich kann mich zumindest weder in Augsburg noch in München beschweren, dass ich keine Buchhandlungen finden würde.
Allein für Augsburg fallen mir spontan vier ein: 1x Hugendubel, 1x Thalia und 2x ohne Bezug zu einer Kette. Und soweit ich das beurteilen kann, ist da auch immer was los und sind breit aufgestellt.
Die English-only Lehrbücher, die von Lehrern benutzt werden, werden dann doch direkt an der Schule/Uni verkauft. Zum selber lernen würde ich mir jetzt auch nicht unbedingt so ein Buch kaufen, v.a. weil ja die Auswahl an jap. Büchern riesig ist. Die meisten Japaner (meiner Meinung nach) können sich auch nicht so einfach auf eine Sprache einlassen, sondern wollen alles erklärt und übersetzt haben.
(Und wehe das Wort ist nicht im Wörterbuch!….)
Sind die Importbücher eigentlich immer noch so wahnsinnig teuer oder ist das besser geworden?
“…sondern wollen alles erklärt und übersetzt haben”.
Genau, das ist der Punkt, obwohl das auch schon ausländische Verlage erkannt haben – “Murphy’s Grammar” zum Beispiel gibt es auch in einer japanischen Variante.
Importbücher sind relativ teuer, aber es hängt davon ab, wo man sie kauft – bei japanischen Büchern gilt ja Buchpreisbindung, bei Importbüchern jedoch nicht, weshalb man die mitunter recht günstig kaufen kann.
Wenn ich überlege, wie viele Werbeanzeigen versprechen, dass man nur durch Hören der App fließend wird, ist es kein Wunder, dass niemand Englisch kann. Ich schließe gerade meinen Master in Angewandter Linguistik (also praktisch Spracherwerb und -lehre) ab und um sprechen zu können, muss man sprechen üben. Punkt. Selbst die Studenten an den teuren Unis haben aber eigentlich keine Lust dazu. Sogar die schlechtesten Mitschüler auf meinem Gymnasium in Deutschland konnten mehr Englisch als japanische Studenten.
Ich denke ja immer noch, dass weder die Regierung noch die Eikaiwa-Schulen eigentlich wollen, dass Japaner Englisch können. Erstere wegen des Konsums ausländischer, kritischer Medien, und letztere, weil sie natürlich keine Kunden verlieren wollen (und weil viele nur Ausländer einstellen, deren einzige Qualifikation “Muttersprachler” ist, ohne jegliche Lehrerfahrung…) Aber das geht ja vielen Inselvölkern ohne Nachbarn so, oder wie viele Briten sprechen eine Fremdsprache, und wie viele Amerikaner (die ja eigentlich Spanisch lernen könnten)?
Was soll ich sagen, dass sterben der Buchläden und Buchsterben ist auch in D ein großes Thema. Wenn ich etwas richtiges brauche / möchte, muss ich nach Parderborn oder Münster in die Unis gehen. Sonst bleibt nur noch das Internet, was auch unter anderem wie das E-Book zum Untergang der Printmedien seinen Teil dazu beiträgt. Schade, ein Buch ist doch etwas schönes. Mit E-Book habe ich (noch) nichts am Hut. Und die Auswahl in dem Bahnhofsbuchhandlung ist eher Unterhaltsam wenn auch üppig, also nichts wo man sich belesen könnte.
Der einzige Tipp den ich hätte, Paris (in den Sommermonaten) an der Seine … viel, viel Zeit mitbringen.
Japan und Englisch ist ein trauriges Kapitel. Auf der letzten Comiket wurde ich auch zweimal von anderen Touristen nach Hilfe gefragt anstatt das man sich an die Einheimischen gewandt hat. Irgendwie eine komische Erfahrung, aber nachvollziehbar. Wozu sich mühsam mit einem Hände-Füße-Englisch-Japanisch-Gemisch unterhalten, wenn man dem anderen eine klar formulierte Frage stellen kann…
Also ich habe während meines Aufenthaltes in der Region Nagoya überraschend positive Beispiele erlebt. Zwar waren es Studenten aber sie konnten Englisch. Zwei davon sogar fließend und mit guter Aussprache. Ja, es ist natürlich eine Minderheit aber es gibt diese Menschen in Japan auch :)