BlogWas bauen die da nur / Infrastrukturelles

Was bauen die da nur / Infrastrukturelles

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Street Art mal ganz anders

Manchmal glaube ich, dass man in Japan nur baut und bastelt, um zu bauen und zu basteln. So in der Gegend meiner Firma. Da wurde letztes Jahr die Straße an allen Ecken und Enden aufgesägt. Das macht natürlich einen Heidenlärm. Hier ein Rechteck, da ein Rechteck. Das ging wochenlang so. Dann wurden die Stellen aufgerissen. Dann kamen andere Männer, steckten Kameras in die verrosteten Leitungen und schauten, was da in den Rohren so los ist. Alles wurde behelfsmäßig wieder verschlossen. Dann wurde wieder alles aufgesägt im Frühling. Und jetzt im Herbst beziehungsweise Winter schon wieder. Die Straßen sehen jetzt richtig bunt aus: Schwarze Asphaltflecken hier, Flicken da – das blanke Chaos, und alles sieht nur behelfsmäßig aus. Und das nicht irgendwo im Randgebiet, sondern in einem zwar ruhigen, aber sehr zentralen Viertel, das für seine feinen Boutiquen und Läden sehr bekannt ist (Ebisu/Daikan’yama).
Irgendwie fließt da irgendwohin Strom durch...

Bei den Bauarbeiten konnte ich es mir natürlich nicht verkneifen, ein Blick darauf zu werfen, was da im Boden so rumliegt. Und die Rohre sehen nicht sehr vertrauenserweckend aus. Aber sie sehen immer noch besser aus als die offen herumstehenden Trafomasten. Die faszinieren mich nach all den vielen Jahren immer noch. Wie kann man in einem Land, das permanent von Taifunen und Erdbeben usw. heimgesucht wird, die ganze Verkabelung einfach so behelfsmäßig herumstehen lassen? Ganz einfach: Japan, das Land mit dem High-Tech-Image, ist in Wahrheit ein Low-Tech-Land, wenn man sich im Alltag mal umschaut. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, aber das Tunnelunglück am Montag im Sasago-Tunnel bei Tokyo mit 9 Toten kann man durchaus als Warnzeichen betrachten. Im detailversessenen Japan ist auch ein ganz profaner Tunneleinsturz möglich (es war nicht der erste) – und zwar ganz ohne Erdbeben, und nur kurze Zeit nach einer Generalinspektion des Tunnels. Will heißen, Japan gibt sich reichlich Mühe, seine Infrastruktur in Schuß zu halten, aber etliches liegt im Argen, und es wird momentan nicht gerade besser sondern eher schlimmer, denn so schnell, wie zum Beispiel während des Booms in den 1980ern gebaut wurde, kommt man nach über 30 Jahren mit dem Instandhalten nur noch schwer hinterher.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

9 Kommentare

    • Da sind wir schon zu dritt ;-)
      Alles eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Außerdem: so konnte schon drei Mal am Tiefbau verdient werden. Das schafft bzw. erhält Arbeitsplätze. Ähnliches kennt man hierzulande auch. Erst Telefon, dann Strom, dann Gas – vielleicht noch Wassewr und am Ende Abwasser. Wenn alles installiert ist, kommen die ersten zur Reparatur :-D

      • Das dachte ich früher auch, jedoch: In neueren Wohnvierteln verlegt man die Elektrizität unter den Erdboden. Aus gutem Grund: Bei starken Erdbeben fallen die Masten um, erschlagen Menschen und – das ist natürlich am schlimmsten – versperren den Weg für Rettungs- und andere Fahrzeuge. Nein, oberirdische Elektrizität ist prinzipiell keine gute Idee. In diesen Gebieten wird den Leuten auch empfohlen, bei Erdbeben bloss nicht nach draussen zu gehen, da es dort einfach zu gefährlich ist.

  1. Die japanische Art der Gasinstallation bringt mich immer wieder zum lachen. Flüssiggasleitungen in verzinktem Rohr, nach dem Gaszähler ein Übergang auf einen flexiblen Kunststoffschlauch und an der Außenwand rauf in den ersten Stock. Von einem Strömungswächter hat da noch niemand was gehört, da wird gearbeitet wie in Deutschland vor 40 Jahren, und oft ist das großer Murks.

    • ? In jedem Gaszaehler in Japan sitzt natuerlich ein Stroemungswaechter, der bei unnatuerlich hohem Gasdurchfluss sofort dichtmacht. Zusaetzlich wird die Leitung auch noch zeitlich ueberwacht. Stellt der Zaehler einen ununterbrochenen Gasdurchfluss von mehr als 8 Stunden fest (z.B. ein vergessener Gasofen…), wird auch in dem Fall die Zufuhr gekappt und man muss runter zum Zaehler und einen Knopf druecken. In Neubauten wird das System via Modem ueberwacht. Stellt dieses fest, das zwar das Gas seit mehreren Stunden laueft, aber keine anderen Verbraeuche (Strom) da sind, oder die C02-Werte zu hoch sind, gibts einen Anruf vom Gaswerk. Nimmt man diesen nicht an, wird die Leitung gekappt und man muss entweder selbst zum Zaehler, oder den Service anrufen, der den Zaehler via Modem freigibt. Macht man beides nicht, steht der Service innerhalb einer Stunde vor der Tuer. Kostenlos. DAVON habe ich in Deutschland auch noch nie etwas gehoert……

      • > In Neubauten wird das System via Modem ueberwacht.
        Haha, typisch japanisch. Lieber einen Wasserkopf beim GVU als geräteseitige Vorsichtsmaßnahmen. Aber wer sich halt gern Raumheizer ohne Schornstein oder Mauerkalotte ins Zimmer stellt…

  2. “Manchmal glaube ich, dass man in Japan nur baut und bastelt, um zu bauen und zu basteln.”
    Noch nie in Berlin gewesen? ;)
    Aber interessant zu wissen, vor allem das mit den Stromleitungen!

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