Am vergangenen Sonntag ging es auf Wunsch einer einzelnen Tochter in einen ziemlich grossen Park im Osten von Tokyo. Wunsch der Begierde waren sogenante クヌギ Kunugi. Im Deutschen unter dem Namen “Japanische Kastanieneiche” bekannt, bzw. wahrscheinlich eher unbekannt. Die Kastanieneicheln sind eher so groß wie Eicheln, nur rund, und während man Eicheln hier so ziemlich überall findet, gibt es Kunigi eher selten. Damit werden die Kunigis bei 4-jährigen zu einer beliebten Währung.
Gesagt, getan. Papa weiß natürlich, in welchem Park Kunigi-Bäume an welcher Stelle stehen. Dumm nur, daß wir etwas zu spät dran waren – nahezu alle Kunigi waren bereits von anderen Kindern aufgesammelt worden. Verdammt. Man sollte mehr Kunigi-Bäume pflanzen. Oder die Anzahl von Kindern in Parks einschränken. Ein anderer Baum weckte jedoch die Aufmerksamkeit einiger Kinder. Jener trug Früchte, die in Form, Farbe und Größe am ehesten Zitronen ähneln. Scheinbar war gerade Wurfzeit, denn der Baum war dabei, seine Früchte abzuwerfen. Die Teile waren extrem hart, rochen dafür aber sehr ansprechend. Das erste, was mir beim Geruch einfiel, war reife Birne. Mit einer leichten Zitronennote, aber da habe ich mich vielleicht einfach nur durch Farbe und Form beeinflussen lassen.
Berechtigte und wohlplatzierte Frage meiner Tochter, bevor sie sich anschickte, herzhaft hineinzubeissen: “Kann man die essen?” Botaniker, der ich bin (“ist grün, wird wohl ‘ne Pflanze sein”), antwortete ich natürlich sofort “öhhhmmmm”. Aber Halt. In Tokyo haben zwar Straßen keine Namensschilder, Bäume hingegen häufig schon. Mal schauen. 花梨 (karin) steht da drauf. Wörtlich übersetzt “Duftbirne”. Na sowas! Wäre der Name “Duftbirne mit einem leichten Anflug von Zitrone”, hätte ich mich wahrscheinlich an Ort und Stelle selber gefeiert.
Was macht also der geübte Großstadtmensch? Funke rausgeholt und erstmal gegoogelt. Und siehe da, der erste Suchvorschlag lautet “花梨酒”. Auf deutsch “DuftbirnenSchnaps”. Na bitte. Wär’ doch gelacht, wenn man aus den Dingern nicht was machen könnte. Kind schaute daraufhin nur noch verblüfft zu, wie Papa sich bemühte, mit gezielten Würfen dem Baum noch mehr Früchte abzuringen.
Mit drei Karin in der Tasche ging es also nach Hause. Dort wurde natürlich erstmal recherchiert. Und erfreut festgestellt, daß die Dinger richtig gesund sind. Sie werden wohl auch in der traditionellen chinesischen Medizin (漢方) angewendet, vor allem um Erkältungen vorzubeugen bzw. kurieren, aber auch gegen Entzündungen jeglicher Art. Der englische Name bedeutet übersetzt “Chinesische Quitte”, und für die Lateiner unter uns: Pseudocydonia sinensis. Zyankali ist auch drin bzw. entsteht, wenn man sie zu sich nimmt, weshalb wohl vor übermässigem Genuß gewarnt wird.
Einfach so essen kann man die Karin nicht – sie sind viel zu hart. Laut Rezept nimmt man also ein Kilo Karin (wie das klingt!), knapp 400 Gramm Kandiszucker und 1.8 Liter weißen Schnaps. Früchte waschen, in ca. 2 cm breite Streifen schneiden und so wie sie sind, samt Kerne und ungeschält, zum Rest hinzufügen. Nach 6 Monaten unter Verschluß soll das Ganze wohl trinkbar sein. Nach einem Jahr soll man die Früchte entfernen. Nach 2 Jahren soll das Gebräu dann sogar richtig gut schmecken.
Nun gut, dann weiss ich, worüber ich im November 2013 bloggen kann. Vielleicht unter Karineinfluss.
Nur für’s Protokoll: “Selbstgebrautes Teil 1” befindet sich hier: Bergpfirsich-Shōchū.
Danke für diesen Beitrag. Besonders der Teil mit dem Botaniker hat mir nach einem langen Tag im Büro ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Das nehm ich jetzt mit für die Fahrt Heim auf der A9.
Was es nicht alles gibt auf der Welt.
So selbst gemacht/eingemachte Sachen erinnern mich immer an meine Großeltern, die auch alles was es auf dem Erdenrund so gibt schon in Essig oder Schnaps eingelegt haben.
Laut Wikipedia kann man die Karin genauso verwenden wie Quitten, um Marmelade zu kochen. Vielleicht kann man auf dieser (der anderen;-)) Seite des Erdballs also umgekehrt auch Schnaps aus Quitten so herstellen?
klar kann man! Ich mache seit Jahren Quitten-likör, wie man das hier im Westen nennt, und Quittengelee sowieso. Kam bisher als Gastgeschenk in Japan auch immer sehr gut an, das Gelee. Im Gegenzug haben wir beim letzten Besuch “Ume” aus japan mitgebracht und daheim in Schnaps eingelegt, lecker!!
@S.Roth
Meine Großeltern haben früher immer Rumtopf gemacht, das hatte mich schon als Kind fasziniert. Eigentlich eine sehr schöne Tradition.
@nebo
Um Brigili’s Kommentar noch etwas zuzufügen – einfach mal nach Quittenbrand suchen, da kommt so einiges zusammen. Man kann ja selbst aus Holz Schnaps machen. Oder aus Fliegenpilzen :)
2 Jahre warten, und dann hat man nur 2-3 Gläschen, das wäre nichts für mich. Vor allem wenn man dann feststellt, dass man die Kerne hätte rausmachen müssen, bevor man es einlegt ;-)