Es gibt berechtigte, sinnvolle Klagen und Klagen, bei denen man sich fragt, was das eigentlich soll. Dem japanischen Staat hängen sehr viele Klagen an – von ausserhalb und innerhalb. Von ausserhalb zum Beispiel durch ehemalie Kriegsgefangene und sogenannten “Trostfrauen” (euphemisch für Zwangsprostituierte während des Krieges). Von innerhalb zum Beispiel durch Hepatitis-C-Patienten, die in den 70ern und 80ern durch verseuchte Blutkonserven angesteckt wurden – dieser Prozess zieht sich bereits seit 2002 hin. Da der Staat damals womöglich in der Tat etwas hätte unternehmen können, sind diese Klagen natürlich mehr als legitim.
Stutzig machten mich jedoch die Nachrichten von der Abweisung einer Klage gegen den Staat bezüglich der Bombenangriffe auf Tokyo. Tokyo wurde ja Anfang 1945, ganz besonders aber am 10. März 1945, massiv aus der Luft bombardiert – Schätzungen gehen davon aus, dass damals ca. 100,000 Menschen ums Leben kamen (das sind mehr als unmittelbar durch die Atombombe in Hiroshima und Nagasaki). Die Taktik der Amerikaner war dabei einfach: Da die meisten Häuser aus Holz gebaut waren, warf man überwiegend Streubrandbomben ab, die von grossen Teilen Tokyos nichts übrigliessen.
Zurück zur Klage: 2007 reichten 131 Kläger eine Sammelklage gegen den japanischen Staat ein: Die Begründung – die japanische Regierung habe zu jener Zeit nichts unternommen, um den gewaltigen Schaden von ihren Bürgern abzuwenden. Und während Militärangehörige später Entschädigung enthielten, gingen die Zivilisten leer aus. Und so forderten die Kläger insgesamt eine Summe von 1,44 Milliarden Yen vom Staat – also gute 10 Millionen Euro.
Nun ja, ganz unverständlich ist die Begründung natürlich nicht, aber warum erinnert man sich nach 62 Jahren plötzlich daran!? Für mich riecht das nur danach, dass sich ein gewiefter Anwalt und/oder ein Haufen Leute auf irgendeine Art und Weise bequem an Geld kommen wollen.
Das Gericht des Amtsbezirks Tokyo wies die Klage jedenfalls ab: “Während des Krieges habe so ziemlich jeder gelitten, da ist es schwer, auseinanderzuhalten, wer wie wo und warum Verluste erlitten habe”.
Mal davon abgesehen, dass diese Klage bei etwaigem Erfolg gravierende Folgen hätte – haben die Kläger auch daran gedacht, wie es ist, einem nackten Mann (=japanischer Staat) in die Taschen zu greifen?
Das Wort des Tages: 棄却 Kikyaku. Zurückweisung (einer Klage).
Ich bin bei solchen Geldklagen sowieso oft stutzig, v.a. wenn sie – wie du schreibst – sehr viel später erst kommen. Viele Opfer sagen ja, dass ihnen das Geld auch nichts mehr bringt, sondern sie lieber eine Entschuldigung von einem Verantwortlichen hören wollen. Geld kann dann eine Rolle spielen, wenn der Versorger gestorben ist und die übrigen Menschen kein Geld mehr verdienen können. Dies ist z.B. bei den getöteten Zivilisten in Afghanistan der Fall, da hier die Männer das Geld verdienen. Da verstehe ich eine geldliche Klage vollkommen.
Ich habe Mühe mit Klagen deren Ursache Jahrzehnte zurückliegen. Wohl kann es berechtigte Klagen geben, so findet zum Beispiel in Italien gerade ein Prozess statt von ehemaligen Arbeiter einer Asbestfabrik die Ihren damaligen Arbeitgeber auf Schadenersatz verklagen, wegen den schwerwiegenden Gesundheitsproblemen die Sie durch den täglichen Umgang mit Asbest erleiden mussten.
Aber dann gibt es so Klagen wo wirklich nur die reine Geldgier, und zwar meist gar nicht mehr von direkt Betroffenen sondern von Ihren lieben Angehörigen im Vordergrund stehen. Ummäntelt von dem Leid und Ungerechtigkeit das ihren Vorfahren wiederfahren ist. Unrecht der Vergangenheit lässt sich oftmals nicht wieder gutmachen, und erst recht nicht mit einem Barscheck an irgendwelche Nachkommen von Betroffenen. Ja, es ist wohl wirklich nur die reine Geldgier, nach dem Motto ich kann es ja mal probieren. Das hinterlässt bei mir einen üblen Nachgeschmack, zumal diejenigen die für berechtigte Anliegen klagen ebenfalls in den Ruf der Geldschneiderei kommen.