BlogNeulich, nachts im Chemiepark

Neulich, nachts im Chemiepark

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Ja, man(n) wird langsam älter: Früher nutzte man SonnAbende vornehmlich dazu, schwofen zu gehen oder sich irgendwo mit irgendwem bequem einen hinter die Binde zu giessen. Heute fährt man Sonnabend abend stattdessen mit dem Auto durch gottverlassene Industrieanlagen um hier und da ein paar Fotos zu machen. Kein Witz. Rund um Tokyo ist es momentan in (ist das Wort in eigentlich noch in oder schon lange wieder out?), Industrieanlagen, vornehmlich der chemischen Industrie, nachts heimzusuchen und zu photographieren. Zu recht, auch wenn das Manchem etwas otaku-istisch anmuten mag: Die grossen Anlagen der Chemiebetriebe sehen einfach beeindruckend aus (mit der quälenden Frage im Hinterkopf, ob überhaupt jemand weiss, wozu die Rohre alle gut sind und was die Apparatur davon abhält, im nächsten Augenblick mit ohrenbetäubendem Krach auseinanderzufliegen).
Mein Schwiegervater und ein Freund der Familie, seines Zeichens Photograph, hörten davon und schlugen vor, es auch mal zu versuchen. Also ging es gestern zu dritt nach Kawasaki, Chemiekombinate auflauern. Davon gibt es genug auf den Neulandinseln von Kawasaki, nur einen Tunnel vom Flughafen Haneda entfernt. Das ganze war auch eine gute Gelegenheit, unsere neue Kamera zu testen. Leider ohne Objektiv Stativ, aber es geht trotzdem gerade so:

In den Industrieparks fühlte ich mich fast wie zu Hause: Schliesslich habe ich in Deutschland über 10 Jahre im Zentrum des deutschen Chemiedreiecks gelebt und kenne den Anblick nur zu gut. Zu Studentenzeiten hatte mich sogar mal in den Semesterferien eine Zeitarbeitsfirma in einen grossen Chemiekomplex geschickt. Aufgabe: Rohre reinigen und streichen. Nur so viel: Vor den Anlagen stehen und Photos schiessen macht mehr Spass.

Wem die beiden Aufnahmen nicht reichen – hier ist das komplette Set zum durchstöbern:

Get the flash player here: http://www.adobe.com/flashplayer


Das Wort des Tages: 工場 Kōjō. Die Fabrik.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

9 Kommentare

  1. WoW! Schöne Fotos!

    Ich lebe in Hiroshima und wir haben bestimmt auch irgendwo Industrieanlagen, aber mit meiner normalen Digicam werden die Fotos bestimmt nicht so gut.

    @Marcus
    Ich vermute mal man fotografiert von draussen.

    P.S. Super Blog lese ich sehr gerne!

  2. @mitch
    Autsch! Danke. Ohne Objektiv ist eher was für Fortgeschrittene…

    @Marcus, Heydal
    Nein, ist nicht zugänglich. Aber gerade nachts verschluckt die Dunkelheit natürlich vieles an Mauern und Stacheldraht.

    @Terry
    Sorry, ist meine eigene Wortschöpfung… obwohl ich glaube ich mal etwas von einer Uni-Vorlesung mit dem Titel “Otakuismus” gelesen habe. Hier gibt’s eine halbwegs vernünftige Erklärung: http://de.wikipedia.org/wiki/Otaku

    @Mariko
    Ja, der Anblick ist der Gleiche :) Aber in D gibt es wahrscheinlich nicht so viele Verrückte, die nachts um die Anlagen schleichen.

    @Agnieszka
    Danke! Ah, Hiroshima… würde gern tauschen.

  3. Also ich muss sagen mich erstaunt wie Ihr einfach so in die Industrieanlagen reinkommen konntet um ein paar Photos zu schiessen. Bei uns gibt es auch etliche Anlagen der chemischen und pharmazeutischen Industrie, doch die sind alle gut gesichert, nach dem Motto; Zutritt verboten.

  4. Wow, das sieht wirklich beeindruckend aus. Auch wenn Chemie jetzt einen nicht so beeindrucken sollte ;]
    Besonders 00072 gefällt mir. Weiß auch nicht. Wenn ich ne gute Kamera hätte, dann würde ich auch gerne in den Industriegebieten fotografieren (in Deutschland natürlich).

  5. Schöne Photos. Ist das denn alles so ohne weiteres zugänglich? In .de wäre da mindestens ein hoher Zaun drumherum, der sich auf Photos unschön bemerkbar machen würde.

    Solche Motive zu abendlicher/nächtlicher Stunde sind übrigens meist auch brauchbare Ziele für die HDR Fotografie.

  6. Alter: wie kommt man denn auf “otakuistisch”? Da steht das deutsche Netz aber auf dem Schlauch ;-)

    Ansonsten kann ich der Fptografie von Industrieanlagen schon etwas abgewinnen. Noch mehr noch Industriedenkmälern. Aber sowas wird es wohl in Japan nicht leicht vor die Linse zu bekommen sein?

    Und Leuna bei Nacht hat noch immer was!

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