Wie ein Damoklesschwert hängt die Gefahr über der Meteopole Tokyo: die Erdbebengefahr (gefolgt von Taifunen, Vulkanausbrüchen und anderweitig hervorgerufenen Überschwemmungen. Nach dem schweren Tohoku-Erdbeben im März 2011 gingen japanische Geologen zum Beispiel davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit für ein sogenanntes 直下型地震 chokka-gata jishin, ein “Erdbeben direkt unter (der Hauptstadt)” innerhalb der folgenden 4 Jahre bei 70% liegt. Leider beziehungsweise Gott sei Dank halten Erdbeben im allgemeinen aber immer noch nicht allzu viel von menschlichen Prognosen – das schwere Beben wird zwar mit “sehr großer Wahrscheinlichkeit” kommen, aber die Frage ist nach wie vor: Wann?
Der Stadt Tokyo und den umliegenden Präfekturen kann man da nur danken, dass fortlaufend mit verschiedenen Szenarien gerechnet und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Dazu muss man natürlich erst mal wissen, wo genau die Maßnahmen am nötigsten sind, und so wurde vor vielen Jahren eine Gefahrnkarte erstellt. Und der Ansatz ist gut, da lebensnah: Man untersucht in allen Gebieten der Stadt die Festigkeit des Untergrunds UND die Art der Bebauung – aus diesen Faktoren errechnet man einen Risikofaktor und ordnet anschliessend die Gebiete in 5 Kategorien ein. 5 ist die höchste Kategorie und bedeutet entsprechend höchste Gefahr. Ist ein Viertel also auf weniger standfestem Untergrund, zum Beispiel im Schwemmbereich eines Flusses gebaut, und besteht die Bebauung zu einem großen Teil aus älteren Holzhäusern mit sehr wenig Raum zwischen den Gebäuden, dann bedeutet dies in den meisten Fällen Kategorie 5. Insgesamt 1,6% der Stadt zählen zu dieser Kategorie, und diese Gebiete konzentrieren sich, das ist allgemein bekannt in Tokyo, im Nordwesten, zwischen dem Sumida- und alten und neuen Edo-Fluß (die Gegend beginnt unmittelbar nordwestlich vom Tokyo Sky Tree).
Auch die Gebiete am Tama-Fluss sind mit Stufe 4 eher unsicher, während zum Beispiel die Gegend um Aoyama oder dem Kaiserpalast und dergleichen ziemlich sicher sind – der Untergrund ist relativ fest und die Bebauung eher modern und/oder locker. Die von der Stadt Tokyo erstellte Karte¹ wurde nun zum ersten Mal seit über 4 Jahren erneuert – und sie ist durchaus nützlich, zum Beispiel bei der Wohnortwahl, vor allem aber dann, wenn man überlegt, sich ein Haus zu kaufen. Und so schön urig und typisch Japanisch die Wohnviertel der Kategorie 5-Gebiete auch sind – man muss zu recht befürchten, dass sich bei einem direkten Erdbeben genau das wiederholt, was 1995 auch in Kobe geschah: Dass sich eine unaufhaltsame Feuerwalze durch die Wohnviertel frisst.
Zur Erinnerung, da themenrelevant: Ein älterer Artikel zur Korrelation von Ortsnamen/Bushaltestellenamen mit der Erdbebengefahrensituation.
¹ Siehe hier.
Interessante Karte! Kannst Du vielleicht eine Quellenangabe zum Artikel hinzufuegen?