BlogJohnny ist tot

Johnny ist tot

-

Der Mann ist eine Legende: John “Johnny” Kitagawa, alias Hiromu Kitagawa – DER Musikmanager des 20. Jahrhunderts in Japan. Ein japanischer Frank Farian hoch zehn. Er ist sogar im Guinness Buch der Rekorde verzeichnet – als Musikproduzent, der zwischen 2000 und 2010 sage und schreibe 8’419 Konzerte organisierte, und als der Mann hinter 232 (!) Nummer-Eins-Hits in Japan zwischen 1974 und 2010. 35 der von ihm ins Leben gerufenen Bands schafften es an die Spitze der Charts – unter der Führung seiner Firma Johnny Entertainment, im Japanischen als ジャニーズ janiizu bekannt. Zu den von ihm entdeckten beziehungsweise zusammengesetzten Boy-Groups gehören Bands wie Hey! Say! JUMP, SMAP, Arashi, Kanjani8, V6, NEWS, KAT-TUN und viele weitere. Diese Bands waren oder sind nicht nur auf der Bühne, sondern auch im japanischen Fernsehen dauerpräsent, wobei der Meister selber, vor allem in den letzten 20 Jahren, eher medienscheu war.
Johnny wurde 1931 als Kind japanischer Eltern in den USA geboren und verbrachte dort die ersten beiden Lebensjahre sowie den Anfang der 1950er. Begeistert vom dortigen Showbiz, rekrutierte er seine ersten “Talente” in einem Park in Tokyo und nannte sie The Johnnys. Das Schema blieb seitdem immer das Gleiche: Er suchte und fand junge Männer, die adrett aussahen und zumindest den Ansatz eines Gesangstalents hatten, und trainierte sie hart in allen Bereichen des Business: Singen, Tanzen, sich gepflegt ausdrücken – 40 Jahre lang. Nahezu jede Boygroup der vergangenen 4 Jahrzehnte bestand aus “Johnnys”.
Ganz ohne Skandale ging es nicht ab – seit 1988 gab es Vorwürfe sexuellen Missbrauchs aus den Reihen seiner Schützlinge. Die Vorwürfe fochte er vor Gericht an und gewann in der ersten Instanz, doch bei der zweiten Instanz hatte er weniger Erfolg.
Gestern, am 9. Juli 2019, verstarb Johnny in Tokyo im Alter von 87 Jahren. Für Musikfans wie meine Wenigkeit waren alle seiner Bands ausser Diskussion – es handelte sich um eine gigantische Marketingmaschine mit immer dem gleichen Muster. Doch so viel steht fest: Mit seiner Musik hat er zig Millionen Japaner in den vergangenen Jahrzehnten glücklich gemacht, und das ist seine grösste Leistung.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Neueste Beiträge

Punk’s Not Dead – das gilt auch für Japan

Seit 2006 findet in Japan in (fast) jedem Jahr das PUNKSPRING-Festival statt – eine illustre Veranstaltung mit ausländischen wie...

Hanami (Kirschblütenfest): Wirtschaftlicher Effekt von mehr als 8 Milliarden Euro

Es ist Ende März und damit wieder Zeit für das alljährliche "Hanami" – die Kirschblütenschau, während der fast ganz...

Mehr als die Hälfte der Japaner wollen keine Kinder…

...so zumindest das Ergebnis einer Studiesiehe hier von Suetomi Kaori, einer Professorin für Bildungspolitik an der Nihon Daigaku. Befragt...

Gerichte uneinig: Ist fast-plötzliche Vollstreckung der Todesstrafe rechtens?

Heute verkündete das Oberste Gericht von Osaka ein interessantes Urteil zum Thema Vollstreckung der Todesstrafesiehe hier. Geklagt hatten zwei...

USA beklagen angeblichen 700% Reisimportzoll

Dass irgendwann so ziemlich alle Nationen von Trumps illustren Zollspielchen betroffen werden würden, war klar, und Japan setzt so...

In trockenen Tüchern: Ab an die Uni!

Da ich nun schon seit Wochen mit dem Thema Uni in Japan nerve, bin ich wohl wenigstens eine Auflösung...

Must read

Die 10 beliebtesten Reiseziele in Japan

Im Mai 2017 erfolgte auf dem Japan-Blog dieser Webseite...

Auch lesenswertRELATED
Recommended to you