Der letzte Feiertag der Goldenen Woche – und Zeit, eine alte Freundin meiner Frau zu treffen. Wir entscheiden uns dafür, zum Oktoberfest zu gehen: Genau, mitten im Mai. Und das auch noch bei 13 Grad und strömenden Regen. Ich weiss natürlich schon vorher, dass ich das sehr bedauern werde. Immerhin sind dank des Wetters nur wenige Leute vor Ort – mir tun die Verkäufer in den zahlreichen Ess- und Bierständen schon nach kurzer Zeit leid. Gestern wurde die Veranstaltung wohl vollständig überrannt – heute betteln die Verkäufer um Umsatz. Also gut, was gibt es zu Essen? Nun, nicht viel Deutsches, das steht fest. Streckenweise sieht es eher nach einem Mexiko-Fest aus. Würstchen und Pommes gibt es aber fast überall, dazu Mini-Brezeln. Und es gibt knapp 10 verschiedene Stände verschiedener, allesamt süddeutscher Brauereien. Dumm nur, dass ich mit dem Auto unterwegs bin. Deutsche Angestellte gibt es hingegen nicht – dafür aber zahlreiche hagere Japnanerinnen, die in einem Dirndl-Light-Outfit bedienen, die männlichen Angestellten haben schlottrige Lederhosen an. Selbst am Infostand – keinerlei Angestellte aus Deutschland, dabei wird die Veranstaltung auch von der Bayerischen Repräsentanz in Japan gefördert – außerdem ist dieses Oktoberfest (es gibt viele in Japan) das einzige, welches offiziell von deutscher Seite als Oktoberfest anerkannt wird.
Wie immer gibt es beim japanischen Oktoberfest auch eine Bühne. Und nach einer Weile begann tatsächlich eine Band aufzutreten: Eine deutsche Partykapelle? Oder Blasmusikanten? Schlagersänger? Nein. Eine Band japanischer Idols war es. Und dann noch eine. Und noch eine. Diese アイドル (“Idols”) sind in aller Regel junge Mädchen, die in Fantasiekostümen synchron irgendwelche Tänze aufführen und dabei alberne Liedchen singen. AKB48 ist ja nur die Spitze des Eisberges – Schätzungen gehen davon aus, dass es in Japan rund 8600 weibliche “Idols” gibt. Eines haben die Idols, egal ob männlich oder weiblich, gemeinsam: Fans, die immer dann auftauchen, wenn sie singen und tanzen. Dieses 推し活 genannte Hobby ist weit verbreitet und nicht auf Idols begrenzt – es gibt auch zahlreiche Sportler mit eigenem Fantross.
Beim Oktoberfest war das nicht anders: Ein gutes Dutzend Fans stand vor der Bühne, sang laut mit, machte irgendwelche geheimen Zeichen Richtung Bühne oder lag in etwas Entfernung mit riesigen Objektiv auf der Lauer, ganz so, als ob es darum ging, einen besonders seltenen Vogel vor die Linse zu bekommen.
Das mit den Idols muss man mögen.. persönlich kann ich dem Gehüpfe und Krakeelen im Chor rein gar nichts abgewinnen, doch es scheint sehr viele Menschen – fast aller Altersgruppen – anzusprechen, und die stecken mitunter all ihre Energie (und all ihr Geld) in die Unterstützung ihrer Idole.