Und zack, da war die Katze aus dem Sack: In der vergangenen Woche (am 3. Juni 2019) gab das japanische Finanzministerium einen Bericht mit dem Namen 高齢社会における資産形成・管理 (Kapitalbildung- und Verwaltung in der alternden Gesellschaft)¹ heraus, und in dem tauchte eine Zahl auf, die viel Aufsehen erregte: 20 Millionen Yen (gut 150,000 Euro). Soviel braucht laut Finanzministerium ein Ehepaar an Extraeinlagen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
1) Der Ehemann geht mit oder nach 65 Jahren in Rente
2) Die Ehefrau geht mit oder nach 60 Jahren in Rente
3) Das Ehepaar bezieht zusammen die Durchschnittsrente (rund 200,000 Yen)
4) Das Ehepaar zahlt keine Miete (eigene Wohnung oder eigenes Haus)
Nun ging man bei der Berechnung ganz einfach von den üblichen Ausgaben aus, und die belaufen sich der Rechnung zufolge monatlich auf circa 260,000 yen. Will heissen, pro Monat ist man mit 60,000 Yen im minus. Mit anderen Worten: Mit der staatlichen Rente kommt man nicht weit. Und das ist natürlich ein Problem, denn das Finanzministerium weiss ebenso, das 22,6% der 40jährigen, 17,4% der 50jährigen, 22% der 60jährigen und 28,6% der 70jährigen keine Einlagen haben. Das bedeutet also, dass mindestens ein Viertel der Bevölkerung im Alter in finanzielle Schieflage gerät – mindestens, denn der Besitz einer eigenen Wohnung/eines eigenen Hauses kann man auch nicht ohne weiteres voraussetzen.
Schaut man sich die Sparanlagen der Japaner an, dann sollte man meinen, dass alles bestens ist, denn die Gesamtspareinlagen sind hoch. 60-jährige Ehepaare haben demzufolge durchschnittlich Einlagen von 18 Millionen Yen. Aber man ahnt es bereits: Die Statistik trügt natürlich, denn ein Grossteil der Spareinlagen befindet sich in den Strümpfen eines geringeren Prozentsatzes der Bevölkerung.
Dass die Rente in Japan nicht reicht, ist dabei keine besonders neue Erkenntnis. Das war schon immer so. Doch früher galt das Prinzip der lebenslangen Beschäftigung, und das bedeutete auch, dass die meisten Angestellten beim Erreichend des Rentenalters ein passsables Altersgeld erhielten – oben erwähnte 20 Millionen Yen waren da durchaus nicht unüblich. Doch diese Zeiten sind bekanntermassen vorbei – zumindest für sehr viele Angestellte. Redakteure diverser Fernsehsender schnappten sich natürlich sofort diese Zahlen und befragten “einfache Menschen auf der Strasse”, von denen viele resigniert wirkten. Vor allem um die 40-jährige antworteten häufig schulterzuckend “Ich habe Kinder, wie soll ich da sparen”. Und da haben sie recht, denn Bildung ist teuer in Japan.
Die Opposition konfrontierte die Regierung umgehend mit den Zahlen, doch Ministerpräsident Abe wies die Zahlen als unzutreffend und irreführend zurück. Das war zu erwarten. Natürlich hat er in dem Sinne recht, dass man solche statistischen Spielchen mit Vorsicht geniessen muss. Das Finanzministerium hat jedoch auch recht, wenn es davor warnt, dass die Rente nicht reicht. Denn in den obigen Rechnungen sind zum Beispiel schwerere Krankheiten gar nicht eingeplant. Und von der Regierung angekurbelte Maßnahmen zur privaten Vorsorge wie zum Beispiel NISA oder iDeCo haben bisher nicht den erwünschten Erfolg gebracht — ähnlich wie bei der Riesterrente in Deutschland gibt es sogar Stimmen, die solche Modelle gar gänzlich in Frage stellen.
¹ Der Bericht kann hier heruntergeladen werden.