Manchmal gibt es auch gute Nachrichten — wenn auch nur auf den ersten Blick: Das Wirtschaftsministerium gab just bekannt, dass das japanische Bruttosozialprodukt im 3. Quartal des Jahres um 21.4% im Vergleich zum Quartal davor gestiegen ist. Das ist mehr als erwartet, und einen solchen Sprung gab es seit 1968 nicht mehr. Allerdings verzeichnete man in den drei Quartalen davor einen deutlichen Abschwung – zuerst wegen der Mehrwertsteuererhöhung (Q4 2019), dann wegen Corona. Alles zusammengerechnet, fängt das enorme Wachstum in Q3 nicht einmal die Hälfte dessen auf, was in den drei Quartalen zuvor an Abschwung verzeichnet wurde.
Und trotzdem – die Börse erlebt seit ein paar Tagen einen Höhenflug, wie es ihn seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat, und der begann bereits vor Bekanntgabe der positiven Nachrichten zum Thema Impfstoff. Mit anderen Worten – Hoffnung macht sich breit. Der Aufschwung dürfte zu einem guten Teil der Regierungsinitiativen “Go to travel” und “Go to eat” zu verdanken sein – beide Programme werden gern in Anspruch genommen. Die Börse wiederum ist nun ganz entzückt ob des APAC-Freihandelsabkommens, das nun nach vielen Jahren ratifiziert wurde. Freier Handel mit China, Korea, Vietnam, Australien, Neuseeland und vielen anderen Staaten dürfte ganz im Geschmack der Aktienhändler sein.
Dem Virus ist das natürlich egal: Corona breitet sich wieder spürbar aus, so dass man nun von einer 3. Welle spricht – oder dem möglichen Beginn der ersten, richtig grossen Welle. Das ist Ansichtssache, denn die zweite Welle war ja nie wirklich abgeebbt. Die dritte Welle scheint sich dabei stark von den vorherigen Wellen zu unterscheiden: In der ersten Welle waren vor allem ältere Menschen betroffen, und es gab recht deutlich abgrenzbare Cluster. In der zweiten Welle waren es mehr jüngere Menschen. Die dritte Welle betrifft mehr die um die 40-jährigen, und eine landesweite Streuung fällt auch auf. Während Tokyo in den vergangenen Monaten fast immer einsam an der Spitze lag, was die totale Anzahl der Neuinfektionen betrifft, so wird die Hauptstadt an manchen Tagen nun von Osaka, Hokkaido und anderen Präfekturen eingeholt. Das führt dazu, dass die landesweite Zahl der Neuinfektionen mit Werten bis zu 1’700 Menschen bisherige Rekorde bricht. Eine schnelle Besserung erwartet man nicht – schliesslich ist es in den kommenden Monaten wesentlich kühler und vor allem staubtrocken – ideale Voraussetzungen für das Virus.
Interessant, so trifft es nun also die arbeitende Bevölkerung. Das lässt ja für die Zahlen an Neuinfektionen über die kommenden Wochen nichts gutes erahnen. Immerhin gibt es in Tokyo nicht solche Szenen wie drüben in Berlin. Wie dermaßen peinlich sind diese Leute eigentlich?