BlogHaben Japaner die Faxen dicke von Touristen?

Haben Japaner die Faxen dicke von Touristen?

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Jüngst postete jemand einen interessanten Beitrag in der Urlaub in Japan-Gruppe auf Facebook. Das angefügte Foto war nicht neu – dieses und ähnliche Bilder geistern seit einiger Zeit durch die sozialen Medien. Es geht um Hinweise an Ladentüren, die explizit an ausländische Besucher gerichtet und auf mehr oder weniger verständlichen Englisch geschrieben sind:

Tourists who are not interested in
Fashion are not welcome.
Go home.
Go to hell.

Eine deutliche Ansage – dieses Schild wurde in der berühmten Cat Street in Harajuku gefunden1. Dazu passt bestens die Nachricht vom heutigen Tage: Laut FNN News zählte man allein im März diesen Jahres gut 3,5 Millionen ausländische Besucher – von Januar bis März waren es insgesamt schon mehr als 10 Millionen. Das bedeutet einen Zuwachs von gut 13% zum Rekordjahr 2024. Wie üblich veranstaltet Yahoo! Japan dazu natürlich sofort immer eine kleine Umfrage2:

Ladenhinweis in Harajuku. Quelle: Reddit
Ladenhinweis in Harajuku. Quelle: Reddit

Was halten Sie davon, dass die Zahl der ausländischen Besucher zunimmt?

Finde ich sehr gut 8%
Finde ich eher gut 10%
Finde ich weniger gut 19%
Finde ich gar nicht gut 62%

Stimmungsmäßig sieht es also nicht so gut aus – das liegt allerdings zum Teil auch daran, dass der Japanische Yen momentan nicht sehr viel wert ist. Für die meisten ausländischen Besucher ist Japan also zur Zeit sehr günstig – doch Japaner kämpfen zur Zeit mit ständig steigenden Preisen. Da sorgt das illustre Treiben der Touristen natürlich für eine gehörige Portion Neid.

Wie man an dem besagten Aushang jedoch gut erkennen kann – und das ist nicht der einzige Aushang dieser Art – sind vor allem Ladenbesitzer in manchen Gegenden sehr frustriert: Ganze Horden von Touristen stürmen die einigermassen exotisch anmutenden Geschäfte für extravagante Mode, Mangas, Fanartikel, Elektronik und dergleichen – nicht selten ohne jegliche Absicht, dort wirklich etwas zu kaufen. Es geht um die Befriedigung der eigenen Neugier – mehr jedoch natürlich um Fotos. Je mehr Touristen sich jedoch so benehmen, desto weniger Umsatz machen die Geschäftsinhaber, denn wer will schon in ein Geschäft gehen, das voller Menschen mit Kameras – und ohne Kaufabsichten – ist.

Auch in Restaurants findet man immer mehr Schilder, anhand derer man deutlich spürt, wie genervt die Angestellten sind: Nein, es gibt keine vegane Version des Gerichts. Nein, die Spezialität des Hauses, die scharfe Nudelsuppe, kann nicht in einer milden Version gemacht werden. Und so weiter.

Natürlich halten sich die meisten Besucher an den ungeschriebenen Kodex – und das Dilemma, dass das eine Prozent der Besucher, die sich daneben benehmen, dafür sorgen, dass die restlichen 99% immer schlechter behandelt werden, ist nicht neu. Als ich einmal im Norden von Thailand unterwegs war, brachte es der Busfahrer auf den Punkt: “You all just sit down and shut up! No questions, no discussions!”. Er hatte einfach die Faxen dicke.

Und auch wenn man der Rufer in der Wüste ist: Besucher sollten natürlich bei (fast allem und egal wo) kurz nachdenken: Mache ich das auch zu Hause? Ist das, was ich jetzt zu tun gedenke, wirklich kein Problem für meine Mitmenschen? Es kann nicht schaden und hilft allen, die später auf dem gleichen Pfad wandeln.

  1. siehe hier
  2. siehe hier
tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

4 Kommentare

  1. Matthias, vielleicht haettest Du auch die Inschrift unter dem Piktogramm mit der durchbalkten Kamera mit uebersetzen sollen – “Unerlaubtes Fotografieren verboten”… Es sind beileibe seltener die englischsprachigen Touristen, die sich hier danebenbenehmen, sondern eher die, die Inschriften und Schilder mit ausschliesslich Kanji verstehen koennen, wenn sie es denn wollen… Meine Wahlheimat Hokkaido leidet unter den Massen von Touris aus dem Reich der Mitte, die sich vor allem durch ungebremsten Laerm und schlechte Manieren an allen nur erdenklichen Orten negativ bemerkbar machen – eine kampfstarke Kompanie laut schnatternder Obatarian aus Kansai ist dagegen eine schiere Wohltat fuer die Ohren… Dass die Touris aus Peking und Shanghai hier die Laeden und Kaufhaeuser leerkaufen und damit zum Bruttosozialprodukt beitragen, ist zwar wahr, aber wie so oft fallen die negativen Begleiterscheinungen halt eher auf als die positiven Effekte. Und ungebremster Massentourismus hat noch nie 100% positive Ergebnisse hervorgebracht, wie die “Ureinwohner” von Mallorca oder Ibiza uns sicher bestaetigen koennen…

  2. P.S.: Off the record & mein heutiger Morgen-Klugsch*ss: Das heutige Kanji (属) hat die korrekte kun-yomi nicht gelistet! Im Test ergibt “keine” die richtige Loesung, korrekt ist aber “tsu” (wie in “kuttsuku”) und “yakara”.

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