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Kaiserkrönung

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Vor genau einer Woche, am 22. Oktober 2019, fand sie nun also statt: Die Thronzeremonie des neuen Kaisers. Ein seltenes Ereignis, denn schliesslich fanden die letzten beiden Krönungen davor 1925 und 1989 statt. Zwei Zeremonien in einem Jahrhundert sind in dem Sinne dann also doch eher selten. Und ich habe deshalb auch ein bisschen ein schlechtes Gewissen – sollte ich mich nicht ein bisschen mehr dafür begeistern? Aber so richtige Stimmung mochte nicht aufkommen, und das ging nicht nur mir so: Die meisten Japaner nutzten den freien, verregneten Tag, um das zu tun, was man an einem verregneten, freien Tag so macht: Einkaufen gehen bzw. fahren. Die Strassen waren dicht. Und der Großteil schaute sich die Zusammenfassung der Zermonie in den Abendnachrichten an, wenn überhaupt. Zu deren und zu meiner Entlastung sollte ich aber auch anmerken, dass es nur eine „Zeremonie light“ war – die Parade verlegte man mit Rücksicht auf die Opfer des letzten Taifuns auf einen anderen Tag. Und so gab es auch nicht allzu viel zu sehen: Interessante Roben und Kopfbedeckungen, und eine kurze Ansprache des neuen Tenno aus seinem Paladin. Sowie Ministerpräsident Abe, der, so will es der Brauch, allein vor dem Tenno stehend, drei Mal laut 万歳 banzai! rief.
Das selbst im Ausland einigermassen bekannte Banzai bedeutet „10’000 Jahre“, und so lange soll der Kaiser nach dem Willen des Rufers leben. Banzai! wurde auch zum gefürchteten Schlachtruf japanischer Soldaten in den letzten grossen Kriegen. Und da es bei der Thronzeremonie nun nicht furchtbar viel Material gab, beschäftigten sich einige Nachrichtensendungen damit, ob Abe sein „banzai“ ordentlich machte. Eindeutige Meinung: Ja, das war ein amtliches, ordnungsgemäß vorgetragenes Banzai und war damit wesentlich besser als das, was seine Vorgänger anboten. Die bauten sich nämlich vor den Kaiser auf, streckten beide Hände in die Höhe und zeigten dem Imperator die Handinnenflächen, ganz so, als ob sie sich zu ergeben gedenken. Das ist falsch, denn die Handinnenflächen müssen, bei abgespreiztem Daumen, aufeinanderzeigen (man zeigt dem Kaiser also die Handkanten). So. Jetzt hätten wir das auch geklärt.
Natürlich kam zu den Feierlichkeiten allerlei Prominenz. Gäste aus 192 Ländern wurden eingeladen, und Gäste aus 185 Ländern kamen letztendlich, darunter auch sehr viel blaues Blut, und zwar nicht nur aus Europa, sondern auch von asiatischen und afrikanischen Königshäusern. Das sind so viele Gäste, dass diese auf vier verschiedene Dinnerpartys verteilt werden müssen. Der Tenno hat es auch nicht einfach.
Ganz begeistert war man, dass pünktlich zur Krönungszeremonie der Regen kurz nachgab und der Himmel für einen Moment aufriss. In Teilen von Tokyo war sogar ein Regenbogen zu sehen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn wir wussten ja schon immer, das Japan ein göttliches Land ist.
Ein Rätsel gab es für mich allerdings: Was in drei Teufels Namen machte das Regierungsflugzeug der Elfenbeinküste im 1’000 Kilometer entfernten Flughafen von Kumamoto (siehe Foto oben)? Wollten die Gäste ein bisschen mit dem Shinkansen fahren? Ging unterwegs der Sprit aus? Man weiss es nicht genau. In diesem Sinne aber erstmal ein dreifach geschmettertes Helau. Nein, ich meine natürlich Banzai. Hoch lebe der Kaiser!

Nachtrag:
Bei genauerer Recherche hat sich herausgestellt, dass es keinerlei Anleitung oder Regeln zum „Banzai“ gibt – demzufolge kann man auch nicht festlegen, was richtig und was falsch ist.
tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

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