Japan hat viele lange Wochenenden, da es a) viele Feiertage gibt und b) etliche der derselbigen per Definition (3. Montag im November usw.) auf einen Montag fallen. Diese verlängerten Wochenenden werden 三連休 (sanrenkyū = drei aufeinander folgende Ruhe(tage)) genannt. Angesichts einer neuen Welle von Coronafällen wurde dieses Mal, dem Wochenende vom 21. zum 22 November, jedoch zu einem 我慢の三連休 gaman-no-sanrenkyū, einem “langen Wochenende der Geduld” aufgerufen. Sprich, die Menschen sollten möglichst wenig unternehmen, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern.
Dem gegenüber stand jedoch die “Go to travel”-Kampagne: Zig Millionen Japaner hatten bereits Reisen für das Wochenende gebucht, und da nicht deutlich war, ob der Staat für etwaige Stornierungen aufkommen würde, fuhren die meisten entsprechend auch los. Das führte zu absurden Bildern: Die Tempel in Kyoto waren brechend voll, ebenso der Takao-san in Tokyo und viele andere beliebte Ausflugsziele. Sehr viele Hotels waren komplett ausgebucht, und das führte auch noch zu einer anderen Problematik: Etliche Manager und Angestellte teurerer Hotels ächzten unter dem Benehmen der Gäste. Da der Staat im Zuge der Kampagne einen guten Teil der Hotelkosten zurückerstattet, übernachteten natürlich viele Japaner in Hotels, die sie sich unter normalen Umständen nicht leisten können. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen der Gäste, und die kleinste Enttäuschung führte zu Beschwerden oder verbalen Entgleisungen. Es ist ja schliesslich nicht so, dass ausnahmslos alle Japaner ruhig und zurückhaltend sind.
Bereits vor dem langen Wochenende wurde laut diskutiert, die Go to Travel-Aktion zu unterbrechen. Heute beschloss man nun, Sapporo und Osaka, zwei Hotspots, vorerst auszuschliessen. Das bedeutet, man kann zwar immer noch dorthin fahren, erhält aber keine Vergünstigungen. So versucht man, die Besucherströme zu lenken. Die Corona-Quittung für die enorme Reisewelle jedoch werden wir wohl in ein bis zwei Wochen bekommen – es ist schwer vorstellbar, dass die Zahlen nicht weiter ansteigen. Ob die Go-to-Travel-Kampagne nun ein Erfolg oder ein Fehler war, werden wir wohl erst in ein paar Wochen oder Monaten erfahren. Der Hotel- und Restaurantbranche tat die Aktion sicher gut, denn nicht wenige stehen kurz vor dem Ruin. Inwieweit das jedoch auf Kosten der Gesundheit der Angestellten und Reisenden geht, wird sich noch zeigen.
Insgesamt sollen bereits rund 40 Millionen Japaner von der Kampagne Gebrauch gemacht haben. Das ist immerhin ein Drittel der Bevölkerung. Wir für unseren Teil sind jedoch an einen Ort gefahren, an den sich ganz sicher keine Touristen, egal ob aus dem In- oder Ausland, verirren: Den Stadtteil Adachi-ku in Tokyo. Von einem grösseren Park einmal abgesehen waren die Strassen dort wunderbar menschenleer.