BlogManieren im Straßenverkehr: Pikanter Unfall vor Gericht

Manieren im Straßenverkehr: Pikanter Unfall vor Gericht

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Seit einer Woche wird ein besonders dramatischer Verkehrsunfall vor Gericht verhandelt, und die Öffentlichkeit beziehungsweise die Medien haben zurecht ein großes Interesse an dem Fall. Der Unfall ereignete sich im vergangenen Jahr auf der Tōmei-Autobahn, die Tokyo mit Nagoya verbindet. Ein 25-jähriger Fahrer zwang dabei das Auto einer vierköpfigen Familie auf dem Überholstreifen zum Anhalten und stellte dort den Familienvater zur Rede. Ein LKW-Fahrer bemerkte das parkende Fahrzeug zu spät und kollidierte mit dem Auto der Familie. Mutter und Vater kamen dabei ums Leben, die 16-jährige Tochter nebst kleiner Schwester blieben als Waisen leicht verletzt zurück.
Das Verhalten des Angeklagten wird als あおり運転 aori unten bezeichnet – als „Drängelndes Fahren), und das ist in Japan zwar seltener als in Deutschland, aber es kommt natürlich auch in Japan vor, und man muss nicht viele Autobahnkilometer fahren, um das ganze live beobachten zu können. Das ganz dicht hinten drauf fahren ist dabei am Häufigsten zu beobachten, während Lichthupen eher seltener sind.
Im obigen Fall beschimpfte der Angeklagte den Familienvater vor Frau und Kindern und drohte, ihn umzubringen. Doch das ganze hat natürlich eine Vorgeschichte: Auf einem Rastplatz beschimpfte nämlich der Familienvater den Angeklagten zuerst – der war ihm im Weg, und so beleidigte er den Mann mit einem schlichten ボケ! (Boke, in etwa: Idiot). Der Angeklagte sagte vor Gericht aus, dass das alles nicht passiert wäre, wenn der Mann ihm einfach nur gesagt hätte, dass er im Weg sei, aber so ist bei ihm die Sicherung durchgebrannt.
Ein unbeschriebenes Blatt ist der Angeklagte nicht, wie sich herausstellte – eine Zeugin sagte aus, dass er allein im vergangenen Jahr, vor dem Unfall, rund zehn Mal durch aggressives Fahren aufgefallen sei. Einmal soll er sogar einen Streifenwagen verfolgt haben, weil er der Meinung war, dass sich die Polizei selbst nicht an die Straßenregeln hielt.
Der Fall dürfte kompliziert werden: Schließlich war es nicht das Auto des Angeklagten, dass die beiden tötete, und während des Unfalls war der Angeklagte noch nicht einmal in seinem Auto. Die Nebenkläger hoffen natürlich trotzdem auf eine hohe Strafe – vor allem, um ähnliche Fälle zu vermeiden. Ganz wird das natürlich nie klappen: Tickende Zeitbomben gibt es überall, und hinterm Steuer werden diese noch gefährlicher, egal in welchem Land oder Kulturkreis.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Jaja, die Autobahnen voller Drängler, die es nicht aushalten können, nicht mit mehr als 170 fahren zu können.
    Juristisch ist die 130 hier in D übrigens eine „freiwillige Höchstgeschwindigkeit“, wer da drüber ist, ist automatisch mit-Schuld.
    Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum so viele von der „Fahrspaß“ Fraktion gegen autonome Autos sind. Die halten sich dann nämlich an Verkehrsregeln und drängeln nicht.

  2. Es wirklich ein schwerer juristischer Fall. Der Boke ist in jedem Fall 2 Mal Schuld, da er den Wagen der Familie auf solche Weise nicht zum Anhalten bringen durfte mitten auf der Autobahn, egal was davor vorgefallen ist.
    Mitten auf der Autobahn anhalten – die Folgen waren vorauszusehen.
    Die Auffahrt ist eine weitere resultierende Sache, wo beim erzwungenen Anhalten das Fahrzeug sichtbar sein sollte und der LKW Fahrer musste es gesehen haben. Also ist der LKW Fahrer auch nicht ganz unschuldig.
    Ich würde in diesem Fall nur unter Vorsicht anhalten und sobald der Idiot aus dem Auto aussteigt wieder weiterfahren.

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