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Wo die Gangster noch mit dem Bus zur Arbeit fahren…

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Letzten Mittwoch: Ich sitze im Überlandbus von Kannoura nach Nahari im äussersten Südosten der Insel Shikoku. Draussen ist es brütend heiss. Nur wenige Menschen sind in dieser Ecke zu dieser Zeit unterwegs.
Irgendwo in der kleinen Stadt Murato hält der Bus seltsamerweise ein Mal, denn an der Bushaltestelle steht jemand. Kurz, gedrungen, sehr breite Schultern. Grosse Sonnenbrille. Kurzgeschorenes Haar, beinahe im GI-Schnitt. Ein Schweinenacken, sehr braungebrannt und mit einem wahren Ludenbart.
Unterstrichen wird sein Auftreten durch das, was er bei fast 40 Grad an Kleidung an seinem Körper herumträgt: Ein schneeweisser Anzug. Ein schwarzes Hemd. Dazu eine weisse Krawatte. Eine Goldkette. Auch die funkelnden Finger fallen auf, besetzt mit massiven Ringen. An fast jedem Finger. Denn er hat nicht 10 davon, sondern nur 9½. Oh ha. Er setzt sich neben mich. Und murmelt irgendwas vor sich hin. Jedes Mal, wenn der Busfahrer etwas schärfer bremst, hagelt es wüste Beschimpfungen – allerdings nur sehr leise.
Ich habe zwei Bücher dabei – eine arg zerfledderte Ausgabe des Lonely Planet Japan von 1995. Und ein japanisches Buch über die Insel. Ich hüte mich davor, ersteres aus der Tasche ziehen. Während der nächsten halben Stunde malte ich mir sehr phantasievoll aus, was ich entgegnen würde, so er mich ansprechen sollte. Etwa
おい、喧嘩売ってる? oi, kenka utteru? (Suchste Streit oder wat?)
oder
申し訳ございませんが、私は敬語しか理解できません mōshi wake gozaimasen ga, watashi wa keigo shika rikai dekimasen (Tut mir leid, ich verstehe nur die japanische Höflichkeitssprache)
oder doch lieber
悪いけど、俺はこっちの訛わかれへん! warui kedo, ore wa kotchi no namari wakarehen! (Tut mir ja echt leid, aber ick kann den hiesigen Dialekt nich verstehen, wa!)
Er spricht mich nicht an. Das ist wahrscheinlich besser für mich. Ich steige an meinem Zielort aus. Er nicht.
Das Wort des Tages: ぶつぶつ言う butsubutsu iu – eines der tausenden japanischen Onomatopoeia und bedeutet, ständig leise vor sich hinmeckern. (iu = sagen, sprechen).

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Super, やくざ als Reisebegleiter. Nicht was man sich oder seinen ärgsten Feind wünschen würde.
    Ich hätte gesagt… 日本語わからないです。
    Danach wäre sicher jegliche Unterhaltung mit dem Knaben beendet gewesen. Das zieht im übrigen auch auf Arbeit, wenn meine Kollege mich wiedermal als Arbeitstier sieht und mir einen Auftrag nach dem anderen Verbal erteilt. Dann der Spruch und er ist wieder auf dem Boden der Tatsachen die ihm da sagen er muss auch mal seine Ar… bewegen.

  2. hmm, wäre das ganze nicht weit von der hauptstadt entfernt passiert, hätte ich mich bei entsprechenden sprachkenntnissen vielleicht als berater eines hohen tieres in der politik oder gar botschafter ausgegeben und wäre an der nächstbesten haltestelle ausgestiegen.
    aber sehr unangenehm, sowas.

    auch schön: neulich auf der fähre von otaru nach maizuru begibt sich mein freund (der mit blonden haaren und blauen augen unverkennbar anders aussieht) in das fähreneigene onsen und sucht sich, ohne sich großartig umzusehen, das weniger bevölkerte der beiden becken aus.
    nur um sekunden später festzustellen, dass seine beiden einzigen mitbadenden riesige tatoos am ganzen körper, dafür aber ein paar finger weniger besitzen…
    augen zu und durch.

    anée

    p.s.: phantastischer blog!

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