Neulich verschlug es mich mal wieder nach Urayasu — ein eigentlich relativ unbekannter Ort in der Präfektur Chiba direkt am Stadtrand von Tokyo. Den Namen Urayasu kennen dabei zwar nicht allzu viele, aber Tokyo Disneyland kennt jeder — und das liegt in Urayasu. Für mich ist die Stadt ein Ort voller Erinnerungen, denn schließlich habe ich dort von 2005 bis 2014 gelebt. Zuerst in einer ziemlich kleinen 2-DK-Wohnung, ohne Flur. Machte man die Tür auf, stand man quasi in der Küche – und von der gingen Türen zum Bad, zum WC und zu zwei Zimmern ab. Die Wände waren dünn, und wir fanden ziemlich bald heraus, dass sich unsere Nachbarn rund zwei Mal pro Jahr plötzlich mitten in der Nacht sich fast umzubringen pflegten. Die Geräuschkulisse war nicht schön. Aber man ist anfangs nicht so wählerisch.
Als sich Kind #2 ankündigte, wurde es Zeit, die Wohnung zu wechseln. Das war 2010. Und die neue Wohnung gefiel mir, denn wir hatten auf drei Seiten Fenster. Mein eigenes kleines Zimmer hatte sogar einen eigenen Balkon, von dem ich den Mini-Park vor dem Haus, aber auch den immer größer werdenden Tokyo Sky Tree sehen konnte. Und Sonnenuntergänge. Und einen kleinen Ausschnitt des jeden Abend stattfindenden Feuerwerks von Tokyo Disneyland. Eine schöne Sache also.
Als ich mich nun jüngst wieder in Urayasu umsah, war ich natürlich neugierig, ob die beiden Häuser noch stehen. Sie tun es, und sie sehen noch genauso aus wie vor 10 Jahren. Doch meine zweite Wohnung mit dem schönen Ausblick ist komplett wertlos geworden, denn ein Fitnesscenter hat einen riesigen, schwarzen und äußerst hässlichen Bau direkt vor das Haus gebaut. Das einzige, was man jetzt noch sieht, ist eine dunkle, bedrohliche Wand mit Kachelimitaten. Würde ich dort noch wohnen, würde es keine zwei Monate dauern, bis ich ausziehen würde, denn das Monstrum macht sicher depressiv.
Vor allem in japanischen Städten lohnt es sich prinzipiell bei der Wohnungs- oder Haussuche, etwas herumzuhören, ob es möglicherweise anstehende Bauprojekte in der Nachbarschaft gibt. Sonst kann es schnell passieren, dass aus einer schönen Aussicht plötzlich der perfekte Eindruck einer Haftanstalt entsteht. Ein Indikator dafür ist zum Beispiel die Grundstücksgröße. Im obigen Fall endet das Grundstück quasi direkt vor der Haustür – die Fläche davor war ein Parkplatz. Das ist kein gutes Zeichen, heißt es doch, dass irgendwann mal ein neues Gebäude in sehr geringem Abstand hochgezogen werden kann.
Ein scheußlicher Anblick. Aber solche Scheußlichkeiten kann man öfter in Japan bewundern. Gibt es überhaupt Regeln nach denen gebaut wird? Oft sieht es aus, als könne jeder bauen wie er möchte. Noch schlimmer finde ich, wenn Züge fast durchs Wohnzimmer fahren oder Häuser unter Straßen stehen.
Wenn ich so etwas sehe, bewundere ich die Leidenfähigkeit der Bewohner.
Das ist so eine komische Sache mit den Bauregeln… da gibt es eigentlich viele. So dürfen zum Beispiel in vielen Fällen freigewordene Flächen nicht sofort wieder verbaut werden – man muss dann ein paar Jahre warten. Ich kann auch nicht einfach die Fassade meines Hauses (obwohl von der Straße gar nicht sichtbar) einfach bunt anmalen. Einen häßlichen Klotz direkt vor ein anderes Haus stellen geht aber offensichtlich.
Wenn man die kunterbunten Baustiele und Farbgebungen in Japans Straßen sieht, wundert es mich, dass du dein Haus nicht bunt streichen darfst. Steht es unter Denkmalschutz?
Oh ganz anders sieht der Anblick aus…
Hoffentlich hat die Spaziergang zum Andenken (mit der Erinnerung? passende Wort finde ich nicht 懐かしの場所の散歩) dir Spaß gemacht.
Liebe Grüße aus Fukuoka.
Oh ja, ich habe öfter mal in Businesshotels gehaust, wo der Ausblick ähnlich “beschaulich” war.
Man konnte froh sein, dass überhaupt irgendwo noch Licht von draußen ins Zimmer gefallen ist.
Meist waren diese Zimmer aber recht günstig. Wenigstens was. :)
beim Lesen fand ich 2 Parallelen zu meiner Wohnung (Herbst 72 – Frühjahr 74) in nishi-gotanda.
Auch hier stand man nach Öffnen der Blechtür (einlagig, erinnerte an meinen Renault R4) gleich in der DK. Zum anderen, die nächtliche Ruhestörung mehrmals im Monat, bei mir war es aber kein fufukenka sondern sehr, sehr laute Musik aus der Nachbarwohnung und immer die gleiche “Onna no Michi” vom Pinkara-Trio. Habe mir dann die single gekauft und höre sie gelegentlich mal wieder.
Das Haus damals Erstbezug war gut geplant, Parterre PKW Stellplätze und eine zur Straße offene kleine Werkstatt (Stahlbau oft laut mit Schweißarbeiten/Rauch), an einer Ecke des Hauses offenes Treppenhaus, vom dem offene Flure zu jeweils 3 Wohnungen pro Stockwerk (4) abgingen. Geräumige DK, furo mit western-style Toilette, 6 Mattenraum mit Schrank und tokonoma sowie ein kl. Balkon. Soweit ich erinnere, wohnte nur eine Familie mit Kindern in dem Haus, die anderen waren Einzelpersonen, ich der einzige Ausländer.
Letztes Jahr habe ich gesehen, das Haus fast unverändert, die Werkstatt wohl geschlossen; das Holzhaus auf der Straße gegenüber, in dem die Eigentümerfamilie wohnte, existiert nicht mehr.