BlogSommerferien / Das Überstundenprinzip

Sommerferien / Das Überstundenprinzip

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Die Sommerferien nähern sich mit großen Schritten, und morgen kommt es wieder zum seit 8 Jahren praktizierten Ritual: An meinem Arbeitsort in Tokyo gibt es abends ein Bon-Odori (traditioneller Tanz, den Ahnen zu Ehren), und dort werde ich, wie jedes Jahr, auf ein (!) Bier verweilen, bevor es nach Hause geht. Das ist seit 8 Jahren mein Startschuß in den Sommer, denn zwei Wochen später habe ich eine (!) Woche Urlaub. Immerhin. Und dieses Jahr geht es zum ersten Mal seit 2½ Jahren wieder nach Deutschland. Im August! Ich liebe Deutschland im August, und das Vergnügen zu dieser Jahreszeit hatte ich schon lange nicht mehr. Ich werde nicht allein sein – Töchterchen kommt mit.
Da wir uns erst spät entschieden haben, sah es bei der Auswahl der Flüge bereits eng aus. Und so fliegen wir dieses Mal etwas umständlicher: Erst geht es nach Abu Dhabi, dort haben wir 22 Stunden Aufenthalt, und dann geht es weiter nach Berlin. Auf dem Rückflug dann das gleiche Spiel. Unter Umständen könnte sich das jedoch durchaus als interessant erweisen, denn alle Flüge sind Nachtflüge, und in Abu Dhabi und Umgebung (ich hoffe ja, das wir einen Abstecher nach al-ʿAin schaffen) gibt es bestimmt einiges zu sehen. Bei 45 Grad im Schatten. Allerdings hatte ich das Vergnügen mit dieser Temperatur in Indien schon mal und weiß daher, dass solche Pläne schnell dahinschmelzen können.
Will heißen, in den kommenden Wochen wird es etwas ruhiger auf diesem Blog, wenn auch nicht völlig ruhig.
—–
Neulich bekam ich auf Arbeit eine Email von einem neuen japanischen Geschäftspartner, und seine Signatur fand ich sehr interessant:
誠に勝手ながら、毎週水曜日は No残業Day とさせて
頂きます。
恐れ入りますが、19:00以降のご連絡につきましては、
携帯電話まで、お願いいたします。
In etwa: “Bitte sehen Sie uns nach, dass wir jeden Mittwoch einen überstundenfreien Tag haben. Sollten sie mich nach 19 Uhr erreichen wollen, rufen Sie bitte auf meinem Mobilfunktelefon an”.
Ah ja. Jeder Mittwoch überstundenfrei = will heissen, an allen anderen Tagen gibt es Überstunden. Und der Mittwoch ist noch nicht mal überstundenfrei, sondern dass Büro einfach nur geschlossen. Man bleibt erreichbar. Nun, nichts Neues, wenn man in Japan wohnt, aber es zeigt doch, wie wahnwitzig es sein kann.
Auch in unserer Firma, als es vor Jahren noch ein starkes Redaktionsteam gab, wurde intern ein No残業Day – “keine Überstunden-Tag” ausgerufen. Die Leute hielten sich ganz genau eine (!) Woche daran.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

15 Kommentare

  1. Mich würde mal interessieren, inwiefern das vom Chef oder von der Arbeitskultur kommt.Wird durch die Chefs entsprechend Druck aufgebaut doch bitte Überstunden zu machen oder ist das einfach als Teil der Arbeitskultur in Japan generell akzeptiert? Und gibt es in Japan keine Gewerkschaften die bei solchen Sachen aktiv werden?

    • Ueberstunden sind Pflicht, ob sie sinnvoll sind oder nur abgesessen werden ist ein anderes Kapitel. Und wenn der Vorgesetzte nicht geht, dann bleibt auch der Rest der Crew.
      Gewerkschaften, jibbet schon …. aber …..

    • Das kommt zu einem großen Teil von der Arbeitskultur. Man muss allerdings auch nach Firmengröße und Branche differenzieren – in der IT-Branche sieht es reichlich böse aus, aber das wird wohl nicht nur in Japan so sein.
      Gewerkschaften? Die spielen in Japan eine wesentlich geringere Rolle.
      Laut Gesetz sind auch in Japan unbezahlte Überstunden nicht erlaubt – kleine Firmen umgehen das aber gern, indem sie direkt sagen “Wir fordern keine Überstunden” aber indirekt dann doch solche Verlangen (nach dem Motto, “normalerweise schafft man das in der regulären Arbeitszeit, aber wenn Du das nicht schaffst – Hauptsache, alles wird erledigt”.
      Größere Firmen umgehen das Gesetz auch gern, indem sie Überstunden als Training/Fortbildung usw. deklarieren.

      • Bei der IT ist das _sehr_ unterschiedlich. Als Gentoo Linux Admin mache ich eig., solange alles funktioniert, keine Überstunden.
        Das heisst nur wenn mal ein Server abraucht und in Windeseile ein neuer her muss, gibts vielleicht mal Überstunden.
        Aber spätestens wenn das ganze Netzwerk über automatisierte Installationen läuft und die Systeme über Puppet verwaltet werden, geht das ganze so schnell das ich eig. keine Überstunden machen “muss” und ich bin da auch dreist und gehe pünktlich um 17 Uhr :D
        Allerdings gibt es Tage wo man vielleicht freiwillig Überstunden macht weil z.b. die Freundin länger macht oder wo hingeht wo man nicht unbedingt mit hin gehen möchte und man grad gute Musik im Ohr hat und es einfach läuft :D
        Wenn ich z.b. eine neue Backup Software Programmiere und ich von “”CSV”” Dateien auf XML umstelle geniese ich das weil ich mich während der Arbeit die ganze Zeit über die Unzähligen Vorteile freuen darf :D
        Und wenn das ganze dann auch noch eine schöne, Plattformübergreifende GUI in C++ mit Qt bekommt dann kanns auch gerne mal 19 Uhr werden ;)
        Natürlich werden die Überstunden aufgeschrieben und abgefeiert, nämlich dann wenn das Backup einwandfrei läuft und man sich deswegen zurück lehnen kann.

        • Bin nicht in der IT-Branche. In Möbel-Branche, kleine Firma und ich mach das ganz genau so wie Vamp898. 16 Uhr fällt der Hammer es sei den es kommt was eiliges rein dann wird’s auch mal länger. Die Überstunden nutz ich für meinen Urlaub in der Heimat.

  2. @Matthias Ich wünsche Dir und Tochter einen guten Flug und tolle Zeit in der Heimat. Deutschland im August ist auch meine liebste Zeit! Aber erstmal eine angenehme お盆 Zeit! Grüße zuhause von Akiko Iori und Enrico
    @odw Überstunden, bei uns ist so, unser Boss kommt jeden Tag und sagt den Leuten geht heute früher Heim damit meint er 18 Uhr
    nicht 20 Uhr. In meiner Firma kann ich sagen nein das geht nicht vom Chef aus das die Mitarbeiter länger machen. Wie es in anderen Firmen ist kann ich nicht sagen.

  3. Nach Deutschland – darf ich eine Bestellung aufgeben??? *_*
    Naja, der Flug wird halt sehr lang werden fuer Euch, dennoch, geniesst die Zeit da drueben, denn schnell geht es wieder zurueck!

  4. Werden diese angeordneten bzw. fest eingeplanten Überstunden bezahlt? Oder denke ich da zu sehr im Geiste der Arbeiterklasse? Das Wort “abbummeln” kennt Wadoku schon mal nicht, ist der japanische Seele wohl auch nicht zuträglich, oder?
    22 Stunden Aufendhalt in Abu Dabi, OMG! Da lob ich mir doch KLM, grade mal 1,5 Stunden in Schiphol, da musste ich mich schon sputen um den Anschluss zu kriegen. Tokyo/Berlin hatte insgesamt grade mal 16 Stunden gedauert.
    Aber D-Land ist grade ziemlich heiß, teils auch schwül. Am Wochenende werden bis zu 39° erwartet.

    • Das kommt komplett darauf an, was die Firma sagt. Die Firma meines Mannes ist im Moment auf dem Trip, dass sie ihm keine Überstunden mehr bezahlen, er sie also nicht aufschreiben soll, weil sie sonst Ärger bekommen könnten, weil er zu viele Überstunden macht (in dem Fall von der Gewerkschaft, die haben eine recht starke). Wenn die (bezahlten) Überstunden also zu viel werden, wird einfach nicht mehr mitgeschrieben. Seitdem ist er halt früher zuhause, weil er den Müll nicht mitmachen möchte.
      Viel Spaß in Deutschland! Ich fliege diesmal total gut, aber das Ticket allein für mich hat 180,000 gekostet…

    • Angeordnete/fest eingeplante Überstunden müssen laut Gesetz bezahlt werden.
      Abbummeln gibt es aber auch – das nennt sich dann “代休” – “Ersatzurlaub”. Und das haben wir in unserer Firma auch. Allerdings geht es da weniger um Stunden abbummeln als um Tage abbummeln.

  5. Dann wünsche ich Dir schönen Urlaub mit Deiner Tochter, erhole Dich gut. Als ich noch arbeiten ging, da haben wir auch “freiwillig” viele Überstunden gemacht. Doch wir konnten sie an anderen Tagen abbummeln.
    Ja, wer eben einen Job hat, der hat auch viel Verantwortung.
    Und jeder kann froh sein, der einen Job hat, so denke ich.
    Lieben Gruß

  6. Schönen Urlaub in der alten Heimat. :-) Wobei so schön ist’s hier nicht nur heiß und windstill. Ich hätte ja was kaltes ausgesucht.

  7. Einen schönen Aufenthalt in D wünsche ich.
    Ich bin gerade mit Mann und Tochter 4 Wochen in Japan unterwegs.
    Grüße aus Fukuoka
    Doris aus Frankfurt

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