Nach dem mittelschweren Erdbeben gestern, am 8. August 2024, erliess die Regierung zum ersten Mal eine Warnung, dass ein Megabeben bevorstehen könnte. Gemeint ist ein Nankai-Trough-Beben, welches ein paar dutzend bis hundert Kilometer südlich von Japan, entlang einer Linie von Nagoya bis Kyushu, ausgehen könnte. Die dortige Plattengrenze hat, so lehrt die Geschichte, das Potential für Erdbeben der Stärke 8 und mehr – mit anschliessenden Tsunami. Vor diesem Erdbeben hat man besonders große Angst, denn während das schwere Tohoku-Erdbeben im März 2011 nur dünn besiedelte Gebiete traf, würde ein Nankai-Trough-Beben auf hunderte von Kilometern dicht besiedelter Küste treffen – Metropolen wie Nagoya, Osaka, Kobe und mittelgroße Städte von Shizuoka bis Miyazaki sind dann in Gefahr.
Das Erdbeben in der Hyūga-See zwischen Kyushu und Shikoku hatte “nur” eine Stärke von 7.1 auf der Richterskala – der Tsunami fiel sehr klein aus, und es gab nur ein paar Gebäude- und Straßenschäden. Doch da das Epizentrum im Bereich der Zone lag, wo ein Nankai-Trough-Beben erwartet wird, beschlossen die im Auftrag der Regierung arbeitenden Wissenschaftler, vorsichtshalber eine offizielle Warnung herauszugeben.
So weit so gut – doch nur gut 24 Stunden später gab es ebenfalls ein mittelschweres Erdbeben im Zentrum der Präfektur Kanagawa, südlich von Tokyo. Dieses hatte “nur” eine Stärke von 5.3, aber da der Herd nur rund 10 Kilometer unter der Erde lag, waren die Erschütterungen in ganz Tokyo und den umliegenden Präfekturen spürbar. Es reichte aus, ein paar Bahnlinien vorsichtshalber ausser Gefecht zu setzten.
Natürlich weckt ein mittelschweres Erdbeben in der Hauptstadtregion keine guten Gedanken ein Tag nach Herausgabe einer Megabeben-Warnung. Doch die Preisfrage ist nun, ob die Beben von Kyushu und Tokyo etwas miteinander zu tun haben. Der Geograf in mir sagt “nein”, denn der Herd des zweiten Bebens ist ziemlich weit von der Plattengrenze entfernt – und der Herd lag ziemlich dicht unter der Oberfläche. Allerdings musste ich meine Meinung vor einer guten Stunde revidieren – denn es gab kurz nach Mitternacht ein weiteres Erdbeben der Stärke 4.9 – dieses Mal weit draußen im Meer, nahe der Insel Hachijojima. 4.9 reicht nicht für einen Tsunami, und da es weit weg von bewohntem Gebiet liegt, dürfte es keine Schäden geben – doch das ist dann doch etwas viel Zufall. Mittelschwere Erdbeben kommen regelmäßig vor, aber drei davon innerhalb von 1½ Tagen ist dann selbst für Japan etwas viel.
Doch was bedeutet die 巨大地震注意, die “Megabebenwarnung”, nun? Es bedeutet zum Beispiel, dass die Tokaido-Shinkansen zwischen Tokyo und Osaka auf gewissen Streckenabschnitten ein bisschen langsamer fahren werden als üblich. Andere Zuglinien, zum Beispiel der Nachtzug Sunrise Izumo, fallen ganz aus. Und die Bewohner der gefährdeten Gebiete, quasi die halbe Bevölkerung Japans, wird aufgefordert, sich ein bisschen vorzubereiten: Das beginnt damit, Möbel und dergleichen vor dem Umkippen zu sichern, oder die Fluchtwege einzustudieren, damit man im Falle eines Tsunamis weiss, wo man hinmuss. Dazu gehört, einen gewissen Trinkwasser-, Toilettenpapier und tragbare Toiletten vorrätig zu haben. Und einen vollen Tank, so man ein Auto hat. Allein diese Maßnahmen können einen großen Unterschied machen.
Natürlich hofft man, dass man von dem Beben verschont bleibt. Aber irgendwann kommt es, natürlich. Und egal, wann es kommt – es wird definitiv zur Unzeit kommen.