Es ist kein neues Thema, aber der Kontrast in Sachen Besucherströme in Japan erstaunt mich doch immer wieder aufs Neue. Während sich in Tokyo, Kyoto, Osaka und anderswo die Touristen stapeln, passierte mir heute das: Mit Kind #2 ging es morgens zur Fähranlegestelle Kurihama an der Bucht von Tokyo – das Ziel: Die Insel Oshima. Diese gehört zu Tokyo und ist die nächstgelegene der Izu-Inseln. Ein Ticket für die Fähre muss man sich online kaufen – und an der Fähranlegestelle entweder einen Ausdruck mitbringen oder die Email mit der Bestätigung zeigen. Doch das war noch nicht einmal nötig: Die Dame am Schalter sagte nämlich bereits, bevor ich etwas zeigen konnte, “Ah, Sie sind Herr Reich, richtig?”. Nein, sie war keine Hellseherin – ich war einfach nur der einzige Ausländer unter den Dutzenden Passagieren, die auf die Fähre warteten. Die Fahrtzeit bis zur Insel beträgt übrigens nur genau eine Stunde – es ist also keineswegs ein exotisches oder schwer erreichbares Ziel.
Normalerweise würde man in solchen Fällen ein ワケあり vermuten – ist etwas zu gut oder zu günstig, gibt es “einen Haken”. Dem ist aber nicht so, denn Oshima ist durchaus attraktiv. Man kann zu einem imposanten und recht frischen Vulkankrater wandern, mit dem Fahrrad herumfahren, ins Onsen gehen, frisches Sushi essen – und bei guter Sicht bis zum gar nicht so weit entfernten Fujisan schauen. Kurzum, ein lohnender Ausflug eigentlich, zumal unzählige Fähren zur Insel fahren – von Tokyo, Chiba, Kanagawa, sowohl ganz langsame Fähren als auch um Tragflügelboote – für Fans des Schiffsverkehrs durchaus ein Erlebnis, denn es handelt sich dabei um in Japan in Lizenz gebaute Boeing 929 Jetfoil, die problemlos bis über 80 Stundenkilometer erreichen.
Warum sich kaum Touristen auf die Inseln wagen ist mir ein Rätsel – sicher, ein paar davon sind waschechte Vulkaninseln mit aktiven Vulkanen, wie besagtes Oshima, oder auch Miyakejima. Es kann also nicht nur die Furcht vor womöglichen Ausbrüchen sein. Aber was es auch sei – viele lange in Japan lebende Ausländer sind sich der Existenz und der Nähe der Inseln durchaus bewusst – und sicherlich nicht böse, wenn die Inseln von dem ganzen Besucherrummel unbeeinträchtigt bleiben. Mehr zu dieser und zwei weiteren Izu-Inseln in Bälde und wie immer auf diesem Kanal!